Der Kofferträger (German Edition)
informiert. Gott sei Dank war es Nacht.
Nachdem er alle Spuren gesäubert hatte, verließ er den Rechner und machte sich an seine zweite Aufgabe. Erstaunlich, der Schreibtisch war nicht abgeschlossen. Der Dame Cresson genügte es zu wissen, dass die Haupttür nicht nur verschlossen, sondern auch elektronisch gesichert war.
Aus der Akte ‚Nicoclean‘, die er schnell fand, kopierte er alle Gutachterthemen. Erfreulich für ihn mit den Namen der Berater, sämtliche Aufträge mit Angabe des zu erwartenden Honorars. Ordentlich waren ebenso bereits erstellte Rechnungen und abgesandte Überweisungen aufgeführt. Hier lag das große Geschäft. Mit wenig Wissen und noch weniger Arbeit hohe Summen zu verdienen.
Ein schmaler Lichtschein erschreckte ihn. Schütz lief zum Fenster und riss die Vorhänge auf. Es begann zu dämmern. Er musste sich sputen. Sein Weg zurück über das Dach könnte bei Helligkeit auffallen.
Die wichtigsten Unterlagen, die er zu den Rechnungen fand, waren die Listen der Gesellschafter zu den einzelnen Beraterfirmen. Es waren durchweg Ehefrauen der Politiker und Wirtschaftler, die auch die Aufträge für die Expertisen erhalten hatten. Aber er hatte es jetzt schriftlich. Schnell waren die Dokumente in sein kleines Handy übertragen.
Nur zwei Dokumente fand er auch hier nicht. Keinerlei Aussagen über die Gesellschafter der „Intercom“ und die Aktionäre der ‚ Happy Hour ‘. Es war zum verrückt werden.
Flink wie ein Wiesel begann er seinen Rückzug. An seinem kleinen Seil hängend klebte er die neue Folie in das Toilettenfenster. Die Leine, diesmal ohne Widerhaken, ließ er doppelt um ein Heizungsrohr laufen. Er ließ sich auf die Treppe hinab und zog das freie Ende des Seils vorsichtig aus dem kleinen Loch der Folie heraus. Zumindest von hier unten, dachte er, sieht man das Loch nicht. Eine kleine Folienecke legte sich automatisch über das Loch. Später stellte er die Stäbe in alter Hierarchie vor die Speichertür. Vor allem verließ er den Dachboden über das gleiche Fenster, das er wieder verschloss. Aus der Safariweste holte er eine kleine Dose mit Fensterkitt. Die frische Dichtung roch angenehm aber verräterisch. Nachdem er die Scheiben eingesetzt und sorgfältig verkittet hatte, schmierte er ein wenig stinkenden Dreck von den Pfannen darüber, um das Material alt erscheinen zu lassen.
Aus den Straßen unter ihm drang der Lärm des beginnenden neuen Tages hoch. Schütz eilte sich, wieder über die Dächer zu seinem Abstieg zu gelangen. Durch das Treppenhaus des fremden Gebäudes erreichte er die Straße. Nur ein paar Leute waren ihm im Haus begegnet, die er freundlich begrüßt hatte. Sie alle waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie seine Anwesenheit verwunderlich gefunden hätten.
Auf dem Land legte er sich in einem Waldstück zur Ruhe. Nicht sehr lange hielt er es so aus. Die Aufregung hatte ihn erwischt. Wie sollte es jetzt weitergehen?
Zum Berliner Bürobeginn meldete sich sein Handy. Schütz griff zu seinem Telefon und wollte gerade auf die „annehmen“ Taste drücken. Als hätte er in eine Steckdose gegriffen, zog er seine Finger blitzschnell wieder zurück. Offiziell war er tot. In Zürich liquidiert. So zumindest lautete seine selbst veränderte Personalakte im Programm ‚Personen 1‘. Er existierte nicht mehr, konnte folglich auch keine Telefonate annehmen. Er hatte noch dem Programm einen strikten Befehl entnommen.
„Nach Erfüllung der Pflicht“, stand da unmissverständlich, „ ist eine weitere Kontaktaufnahme nicht notwendig.“
Man hatte sich abgesichert. Wozu sollte auch weiter darüber gesprochen werden. Liquidiert ist liquidiert. Weitere Worte darüber erhöhten nur ein Risiko. Jetzt kam ihm das zugute. Erst später würde man mehr erfahren. Der Anruf konnte nur von Frau Hubert sein. Mit Sicherheit hatte sie die Neuigkeit im Internet gelesen, rief ihn an, um zu überprüfen, ob das Handy ebenso kalt blieb. Für Schütz war es eine zusätzliche Sicherheit.
Wieder griff er zum Telefon, wollte seine kleine Corinna anrufen. Erneut zog er seine Finger schnell zurück. Ein Anrufer würde das ‚besetzt‘ Signal von seinem Handy empfangen. Schlussendlich legte er das Gerät in seinen Koffer. Auf einer Raststätte rief er von einer Telefonzelle Corinna an. Keine Antwort. Verdammter Mist dachte er, seit Tagen kann ich sie nicht erreichen. Mein Gott, es wird doch wohl nichts passiert sein? In dem Moment durchzuckte ihn ein kalter Schauer. Er
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