Der Kofferträger (German Edition)
zu rutschen. Das Wasser sprudelte um ihn herum, ließ seine Beine In Kälte erstarren. Das Schiff legte sich tiefer und schräger. Sollte er auf dem verdammten Toilettendeckel sitzend, gefangen von einem Pumphebel, nur noch so lange Luft bekommen, bis das Wasser seinen Kopf überflutete? Oder würde er vorher erfrieren? Schütz überlegte sich, welches wohl der schlimmere Tod wäre. Er wusste es nicht. Das Wasser hatte den Toilettenrand bereits überspült.
Mit einem Schlag ging das Notlicht aus. Bestürzt erkannte er, die Fluten hatten die Batterien im Achterschiff überschwemmt und den Kurzschluss verursacht. Jetzt kam noch die totale Dunkelheit dazu, die seine Angst ins Unermessliche trieb. Sein Fatalismus wechselte in einen unbändigen Zorn. Verdammter H. B. das hast alles du zu verantworten. Irgendwie kriegen sie dich doch, selbst wenn du mich jetzt in die Fluten reißt. Zornig ruckte und rüttelte er wieder an dem Ding da hinter sich.
„Ah, was ist das?“ Beinahe hätte er noch weiter so herumgehackt, als er merkte, dass seine Handfesseln locker waren. Ja, sie waren locker. Ungläubig hielt er eine Sekunde inne, konzentrierte sich ganz auf seine eingequetschten Arme. Der Druck der Fesseln hatte nachgelassen. Die Naturfasern des Hanfs hatten sich im Wasser gedehnt, das Schaben und Rutschen an dem Toilettenhebel hatte seinen Rest beigetragen. Noch ein paar Mal rauf und runter, hin und her , und die Fesseln gaben nach.
Seine eiskalten Finger waren krumm und steif, er konnte sie kaum bewegen. Es kostete Kraft, die Leinen von den Beinen zu lösen. Als die Hanfseile von ihm ins Wasser fielen, starrte er beinahe fassungslos in die Dunkelheit. Vor Freude suchte er blind mit seinen Fingern den Pumphebel und küsste ihn. Jetzt galt es schnell zu handeln. Der Wasserzulauf war zu stoppen. Wie sollte er in der Dunkelheit irgendwelches geeignete Material dazu finden? Er nahm die Leinen zu Hilfe. Sie waren zu dünn. Zusammengelegt waren sie nicht dicht. Außerdem drückte das Wasser den provisorischen Stopfen immer wieder raus. Viel Zeit für Experimente hatte er nicht.
Er watete durch das Wasser, rutschte ein paar Mal aus, tauchte un ter, erhob sich immer langsamer wegen der durchdringenden Kälte. Wenigstens musste er den Deckel zum Niedergang öffnen, um zu sehen, ob er überhaupt herauskäme. Er stieß gegen die Stufen, fasste das Geländer und zog sich mehr hoch, als dass er ging. Als er mit dem Kopf gegen den Deckel stieß, hob er beide Hände und drückte gegen den Verschluss. Der Deckel gab nach, er konnte ihn öffnen. Schütz stieß einen kurzen Jauchzer aus. Er lief die letzen Stufen des Niederganges hoch und stand auf dem Deck. Über ihm funkelte ein klarer Sternenhimmel. Die eiskalte Luft peinigte seine Nase. Ihm wurde in diesem Moment die Kälte an seinem Körper bewusst. Ein eisiger Wind presste die durchnässte Kleidung an seine Haut und verwandelte seinen Körper in einen einzigen Eisklumpen. In der Ferne sah er die Lichter einer Stadt. Nur konnte die Stadt ihn nicht sehen. Er befand sich in total dunkler Umgebung. Vielleicht war die Küste zwei Meilen entfernt, mehr als dreieinhalb Kilometer. Die müsste er im Zweifel schwimmen. Wenigstens würde er nicht mit diesem Sarg untergehen. Jetzt galt es, irgendein schwimmendes Teil zu finden, auf dem er zur Küste rudern könnte. Es war vermessen genug, an eine Rettungsinsel oder ein Beiboot zu denken. Seine Mörder hatten offenbar alles, was sichtbar war, mitgenommen. Er musste es schaffen, eine Tür auszuheben. An ihr wollte er sich im Wasser festhalten, wenn er eine Pause beim Schwimmen machte, um neue Kräfte zu sammeln.
Die Y acht hing bedrohlich tief. Er müsste sich beeilen, wenn er sich eine letzte Chance für ein Hilfsmittel offen halten wollte. Schütz stieg wieder in den Niedergang hinab. Schon auf halber Höhe umspülten die Fluten seine Beine. Ein Blitz durchzuckte seinen Kopf, als er plötzlich an die Katakomben in Berlin dachte. Wann würde das alles einmal ein Ende haben? Er wandte sich nach links, der Achterkajüte auf der Backbordseite zu. In nachtschwarzer Umgebung tastete er nach der Klinke und stemmte sich gegen die Tür um sie aufzudrücken.
Er überlegte, wie er die Tür am besten ausheben könnte und seine Kräfte dabei schonend einsetzte. Absolutes Schweigen umfing ihn. Nur das leise Gluckern des volllaufenden Schiffes war zu hören. Er hielt für ein paar Sekunden den Atem an.
Ein tödlicher Schreck durchfuhr ihn in der
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