Der Kofferträger (German Edition)
spärliches Licht. Das Ping-Kling der Fallen gegen die Masten aus Aluminium von Hunderten von Yachten läutete in seinen Ohren ein fröhliches Wiedersehen ein. Schütz stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz hinter der Anlage ab. Er stieg über den hohen Schutzwall bis zum Steg Nr. 18. An jeder Seite lagen etwa fünfzehn Schiffe. Sie stellten die Königlichen dar, was die Größe anbelangte. Nur wenige Lampen spendeten auch hier notdürftig Licht. Gerade so viel, um nicht in der Nacht gleich in das Hafenbecken zu fallen.
In der schwachen Beleuchtung entdeckte er schon von Weitem Corinna. Sie winkte ihm von Bord des Schiffes freundlich lächelnd zu. Weil die Gangway eingeholt war, sprang er mit einem gewaltigen Satz auf das Achterschiff. Schelmisch hatte sich Corinna nach unten in das flackernde Kerzenlicht des Salons zurückgezogen. Als er den Niedergang in den dürftig beleuchteten Salon hinunter kam, umarmte sie ihn leidenschaftlich.
Nicht nur der Weingeruch aus ihrem Mund auch ein aufdringliches Parfüm störte ihn.
„Endlich, endlich bist du da“, rief sie.
Die Wärme in der dunklen Stimme fehlte, wie der warme Ton einer Violine abhanden gekommen war, weil das Holz Risse aufwies. Es war der Ton, der ihn vom ersten Augenblick ihrer Bekanntschaft fasziniert hatte. Auch den leicht bayerischen Akzent vermisste er.
Sein Puls war hochgeschossen. Sein Atem stockte. Nur eine Sekunde hatten ihn diese Gedanken und Gefühle in Anspruch genommen. Dann haute ihn seine Dummheit um wie einen stürzenden Baum. Ihr Geruch, die Stimme, ihr Aussehen, das zwielichtige Verhalten!
Die Frau war nicht Corinna. Blitzschnell duckte er sich unter den Armen der feindseligen Liebhaberin hinweg und stürzte den Niedergang hoch , um zu fliehen. Ein Fußtritt traf ihn von oben am Kopf. Schütz taumelte und schlug mit dem Schädel auf dem Boden auf. Ein stechender Schmerz schnitt in sein Gehirn. Schon war jemand über ihm und fesselte ihn.
Er hörte noch die Stimme der fremden Frau „Nein, das wollte ich nicht. Das ist nicht unsere Abmachung. Hört auf damit.“
„Sta zitto“, brüllte eine männliche Stimme. Einem Poltern, Schreien in Deutsch und Italienisch und einem heftigen Gerangel entnahm er, wie um ihn herum ein Kampf stattfand. Hoffentlich würde er nicht noch einmal von einem Fuß oder einer Faust getroffen. In einem Ächzen und Stöhnen schienen sich zwei Menschen den Niedergang hinauf zu quälen, oder ein Mensch schleppte gewaltsam einen anderen hinauf. Das ließ sich nicht genau für ihn feststellen.
Über Jürgens Mund zog sich bis hinter seinen Kopf ein verschnürter Schal. In seinem Schädel hämmerte dieser tödliche Schmerz. Seine Hände waren auf dem Rücken und die Beine zusätzlich mit zwei Leinen gefesselt Der unangenehme Geruch von Hanfseilen stach ihm in die Nase. Die Kerzen waren heruntergebrannt. Das Licht im Salon lag auf Sparschaltung. In schwachem Schein hatte er das Gesicht des Mannes nur in dunklen Schemen erkennen können.
Das Geräusch eines anspringenden Schiffsmotor ließ ihn aufmerken. E in Ruck ging durch das Schiff und die Yacht legte umständlich ab. Das Hafengelände und die Umgebung waren Schütz unbekannt. So wusste er nicht, warum sie über eine Stunde lang unter Motor fuhren, obwohl eine frische Brise genug Wind zum Segeln brachte. Noch nicht einmal einen klaren Gedanken konnte er fassen, ausschließlich seine Schmerzen beschäftigten ihn. Er lag mit seinem Schädel auf dem harten Holz. In irgendetwas Klebrigem wälzte er sich. Ob sein Kopf blutete?
Ein tierisches Gerassel brachte ihm seine Situation zurück. Seine Entführer ließen die Ankerkette ab. Ewig lang so schien es ihm, rutschten die Stahlglieder über die metallene Bugrolle. Vielleicht fünfzig Meter, wobei der Durchlauf jedes einzelnen Gliedes durch die Ankerklüse ihm einen Stich in seinen Kopf versetzte. Dann stand der Motor still. Mit ihm die Ankerkette. Aber warum hier draußen ankern? Ein Motorengeräusch näherte sich. Ein Motorboot legte neben der Yacht an. Männerrufe.
Ein Rennen und Trappeln von Füßen im Salon wie bei einer Flucht. Irgendjemand machte sich am Boden des Vorschiffes zu schaffen. Werkzeuge klapperten, es wurde geruckt, gezuckt und gezogen. Verdammt, ihm schwante Unheil. Was machte der Mann dort? Er schraubte den Logstab des Geschwindigkeitsmessers aus dem Boden heraus. Mit der Dicke eines Gartenschlauches würde das Wasser in das Boot schießen und es zum absaufen bringen. Vorher aber wäre er
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