Der Kofferträger (German Edition)
längst ertrunken. Das war sein Ende. Sie hatten ihn auf das Schiff gelockt, um ihn verschwinden zu lassen. Selbst das Problem einer Leiche hätten sie nicht mehr. Wenn später niemand nach der Yacht fragte, würde auch niemand nach ihr suchen. Aus, Ende, ein für alle Mal wäre er verschwunden.
„Sie“, wer waren „sie“? Es konnte n nur Anita, seine Ehefrau und sein Onkel Hans sein. Zumindest in deren Auftrag handelten sie.
Die Person rannte wieder durch das Schiff, stolperte über ihn und wäre beinahe gestürzt. Der Flüchtende lief die Stufen hoch. Der Deckel des Niederganges fiel zu. Ein Poltern gegen die Bordwand, ein Motor heulte wieder auf und das Geräusch verlor sich irgendwo in der Ferne.
Mit Entsetzen vernahm Schütz seine Todesmelodie, das Gurgeln des Wassers, wie es durch die Öffnung im Bad in das Schiff strömte. Blitzschnell überlegte er. Sich von den Fesseln befreien oder versuchen, gefesselt, wie er war, sich die Stufen des Niederganges auf dem Rücken hochzudrücken? Dann mit dem Kopf zu versuchen, die Falltür des Niedergangs aufzudrücken, ins Wasser zu springen und auf dem Rücken mit gefesselten Armen an Land zu schwimmen. Hatte er nur diese eine Möglichkeit? Wenn es schief ginge?
Er musste zum einströmenden Wasser hin und versuchen, das Loch zu verstopfen, wenn möglich mit dem Stab des Speedometers.
Seine Knie ließen sich bewegen, obwohl Unterschenkel u nd Oberschenkel gefesselt waren, aber nicht über die Knie hinweg. Gott sei Dank mit getrennten Seilen. Das hatte sein Mörder nicht bedacht. Während seiner Gedanken fühlte er Kälte unter dem Rücken, dann Nässe. Das Wasser stieg unaufhörlich. Mit kräftigen Schüben drückte sich Schütz, auf dem Rücken liegend, in das Vorschiff. Dabei konnte er seine auf dem Rücken zusammen geknoteten Hände als Stütze benutzen. Noch half ihm die Notbeleuchtung. Die offen stehende Tür des Waschraumes schwankte hin und her. Er legte sich mit einem Schwung zur Seite. In dem Boden des Bads sprudelte das eisige Meerwasser in einer zehn Zentimeter hohen Fontäne in das Schiff. Nirgendwo war der Stopfen zu entdecken. Er könnte ihn noch nicht einmal mit dem Mund fassen und versuchen ihn in das Loch zu drücken. Wohlweislich hatten ihn die Mörder mitgenommen. Ihm blieb kaum Zeit. Sein riesiger Sarg füllte sich unaufhaltsam mit Wasser. Verzweifelt tauchte Jürgen sein Gesicht unter, in der Hoffnung, der aufgeweichte Schal würde sich lösen. Mit Lippen- und Kieferbewegungen brachte er tatsächlich seinen Knebel zum Rutschen, bis er über sein Kinn hinweg an den Hals glitt.
Schütz atmete tief durch. Der nächste Schritt war schwieriger. Eile tat Not. Mit seinen Beinen stemmte er sich an der gegenüberliegenden Tür ab und drehte seinen Körper. Jetzt lag er mit seinem Rücken in dem verflucht kalten Wasser. Und er merkte, wie die Fluten ihn umspülten. Er starrte gegen die Decke, verzweifelt nach Luft ringend. An seinen Füßen spürte er den Widerstand der Türschwelle vom Bad und drückte sich ab. Mit den Schultern gegen die Toilette gelehnt, hockte er trostlos in dem eisigen Wasser, das unaufhaltsam stieg.
„Ich werde hier herauskommen“, war sein Gedanke. Dann überlegte er, sich doch mit den Fluten und unter zu Hilfenahme seiner Beine bis an den Niedergang treiben, und sich von dem steigenden Wasser die Stufen hochtreiben zu lassen. Das hieß, für einen Menschen mit Armen und Beinen war es kein Problem die Klappe aufzudrücken. Aber mit auf dem Rücken gefesselten Händen ...? Eine solche Tür war meist sehr schwer, weil sie auch ohne Riegel in den Bewegungen bei Wind und Seegang geschlossen bleiben musste.
Das eisige Wasser schnürte ihm die Brust ein. Mit den abgestützten Beinen schob er sich rückwärts an der Toilette hoch, bis er auf einmal abrutschte und mit Schwung über den Toilettendeckel nach hinten glitt. Dabei verlor er seine Beinstütze, und er rutschte wieder ein paar Zentimeter tiefer. Irgendetwas hielt ihn jetzt auch noch hinten fest. Etwas steckte zwischen seinen gefesselten Händen. Das konnte nur der Pumpenhebel der Toilette sein, der mit einem kleinen Abstand aufrecht und parallel zur hinteren Wand lag. Das verdammte Ding hatte sich zwischen seine gefesselten Arme und seinen Rücken geklemmt. Er musste von dem Hebel wieder freikommen. Wahrscheinlich würde ihm das erst gelingen, wenn ihn das steigende Wasser hochtrieb. Stoßend, schwimmend, sich drehend, abfedernd, versuchte er dennoch aus diesem Gefängnis
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