Der Kofferträger (German Edition)
die Verbindung abgebrochen. Also, das war geklärt.
An der Verzweigung Meggenhus bog er in Richtung Romanshorn ein, verließ bei Arbon die Autobahn und fuhr gemütlicher zum Bodensee hinunter. Im Seglercafé traf sich eine angenehme Gesellschaft. Männer und Frauen, die allesamt dem Wassersport erlegen waren. Schon zwei Minuten, nachdem er seinen BMW geparkt hatte, konnte er an dem großen Fenster Platz nehmen. Der große Schweiger zeigte sich noch nicht. Ohne irgendwelches Gequatsche konnte er den Blick auf den See genießen.
Unter dem leichten Wind blähten sich einige Segel, die meisten Boote glitten mit Spinnacker über das Wasser.
„Na, da sind Sie ja“, holte ihn eine polternde Stimme zurück. Er fuhr erschreckt hoch. Ein unguter Geist erfüllte den Raum. Der rundliche Mann vor ihm quälte sich schnaufend hinter den Tisch. Unbemerkt hatte er wohl den anderen Koffer neben den Seinigen gestellt. Der Typ war Schütz auf Anhieb unsympathisch. Zu laut, zu ungehobelt, zu auffällig. Alles, was er tat, geschah mit einem Schuss Aggressivität, die nach Erfolg heischte.
„Hatten Sie eine gute Fahrt? Sind Sie schon lange hier? Wie fahren Sie wieder zurück?“ Einem ratternden Trommelfeuer gleich, schoss er seine unsinnigen Fragen ab, die Schütz nur als billige Höflichkeitsfloskeln ansah und nicht beantwortete. Der hoch in den Fünfzigern stehende kleine Mann hatte nichts Angenehmes an sich. Etwa 1,70 m groß, rundlich, um nicht zu sagen sehr rundlich, weit ausgreifende Stirnglatze und Knollennase. Das vernarbte Gesicht eines Fremdenlegionärs und die wulstige Lippen wiesen auf manchen Lebenskampf hin. Doch nicht das waren die wirklich negativen Kennzeichen. Seine derbe, vorlaute Art eines mit seinen Hörnern drohenden Widders widerte den jungen Mann an. Als der unangenehme Schweiger ihm noch die Hand zur Begrüßung reichte, ekelte er sich vor dem Maulwurf. Das Gefühl eines faulen Salatblattes zwischen seinen Fingern wurde er bei der wischiwaschi Begrüßung nicht los. Der Händedruck stand in vollem Gegensatz zu seinem staatsmännischem Gehabe.
„Also, wie fahren Sie nun zurück?“
„Heute noch. Unterwegs werde ich übernachten.“
„ Gut so. Schnell zurück. Lassen Sie den Koffer niemals, auch nicht für eine Sekunde aus dem Auge, hören Sie? Legen Sie immer das kleine Band an das Handgelenk. Im Hotel schließen Sie von innen ab. Gehen Sie nicht in die Bar. Wenn es sein muss, lassen sie sich Getränke aufs Zimmer kommen, so wie das Frühstück. Lassen Sie die Nutten draußen. Die Reise ist dafür nicht geeignet. Keine Anhalter mitnehmen. Im Auto können Sie den Koffer vor den Vordersitz auf den Boden stellen, allerdings nur, wenn sie die Türen von innen verriegelt haben. Ist das alles klar?“, befahl er in seiner vorlauten Art, stets nach Anerkennung suchend. Sein Kommandoton passte nicht im Geringsten zu seinen butterweichen Körperformen. Auch schienen alle Café Gäste Mitglieder der konspirativen Vereinigung zu sein, so laut und prahlerisch dozierte der Rundling.
„Ja, ja, ich habe verstanden“, „darf ich denn zur Toilette gehen, und wie soll ich pinkeln mit dem Ding da in der Hand?“, fragte Schütz. Der Inhalt des Koffers wurde immer bedeutender. Welche geheimen Dokumente mochten das sein?
„Ist der Inhalt so wichtig?“, fragte er eingeschüchtert und doch angewidert.
Das bayerische Grobholz lachte laut, einfach zu laut. Er gab keine Antwort.
„Hören Sie zu“, flüsterte er jetzt bedeutungsschwanger. „Der Koffer ist nicht abgeschlossen. Sie sollen Ihre Verantwortung kennen. Schauen Sie hinein, aber erst wenn Sie in einem abgeschlossenen Hotelzimmer mit zugezogenen Vorhängen sind.“
Langsam reichte es Schütz, ständig nur diese überheblichen Anweisungen und Vorbehalte zu hören. „Ist der Koffer auch wasserdicht, dass ich mit ihm duschen kann?“
Da griff Schweiger schon unt er den Tisch nach dem leeren Koffer. Er grinste, als wenn er einem Mädchen zu grob unter den Rock fasste.
„Ich übernehme Ihre Rechnung, machen Sie sich auf den Weg.“
Der Bayer rammte beim Aufstehen mit einem solchen Elan seinen eigenen Stuhl, dass der polternd zu Boden stürzte. Verächtlich ließ er ihn liegen, gab ihm noch einen Fußtritt. Alle Blicke richteten sich auf ihn. Schweiger fixierte sie überheblich mit einem zynischen Grinsen. Ohne sich auch nur ein einziges Mal umzuschauen, warf er dem Kellner an der Bar einen zwanzig Mark Schein hin. Schon war er verschwunden. Ein ängstlicher
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