Der Kofferträger (German Edition)
Blick unter den Tisch zeigte Schütz den ausgetauschten Koffer. Ihn hatte er Heim zu führen wie eine Braut. Zwar von ähnlichem Styling, aber bauchiger als sein eigener, war dieses Belosio-Gefäß. Als er den fast unsichtbaren Nylonfaden fühlte, legte er ihn noch unter dem Tisch um das Handgelenk. Ein Fingernagel brach ihm ab, als er beim Hochheben des schweren Koffers mit der Hand an dem Griff entlang schrammte.
„Scheiße“, rief er allzu laut, und die Gäste des Cafés schauten sich noch einmal zu seinem Tisch um. Dann verließ er das Seglercafé.
Die rund achthundertfünfzig Kilometer zurück nach Berlin, wollte er über Bregenz, Ulm, Nürnberg, Leipzig fahren. Schon bald summte sein Telefon. Frau Hubert fragte ihn, ob alles in Ordnung sei.
„Ja, ich hab’ das Ding“, rief er fröhlich in das Mikro, „was ist …“
„’Ist schon in Ordnung“, unterbrach ihn die gute Bürohexe, „brauchen Sie ein Hotel?“
Er bestätigte und ließ sich in Memmingen ein Hotel buchen. Frau Hubert meinte, sie wüsste, was er sagen wollte. Schon wieder ein solch vorlautes und allwissendes Geschöpf ärgerte er sich. Wahrscheinlich, so nahm er an, wüsste sie sogar mehr als „er sagen wollte“. Nach kurzer Zeit bestätigte sie eine Buchung im Hotel Falken, Am Rossmarkt 3-5. Das Einzelzimmer für achthundertfünfzig Mark, es sei eine kleine Suite, hatte sie noch hinzugefügt.
Sein Blick fiel immer wieder auf den goldenen Gegenstand im Fußraum des Beifahrersitzes. Schmuddlige Geheimdokumente? Eine neue, personalisierte Kampagne für die nächsten Wahlen, ausgearbeitet von einer schweizerischen Marketingagentur?
In Wangen gönnte er sich zum ersten Mal einen Halt. Sein Magen war leer und die Blase drückte. Im ‚Schlosshof‘ setzte er sich mit dem Koffer an der Hand an einen Tisch, stellte das Ding zwischen seine Beine.
Er sollte es ja niemals aus den Augen verlieren, hatte der Schweiger gesagt. So behielt er den langen Nylonfaden um sein Handgelenk gewickelt. Aber es sah jetzt zu komisch aus, wie er seine linke H and stets unter dem Tisch hielt. Zwei aufgetakelte Weiber begannen schon über ihn zu tuscheln und wandten sich entrüstet ab, nicht ohne jedoch noch einen letzten neugierigen Blick auf ihn zu werfen.
Seine Knöchel scheuerten an der Kiste, weil er sich immer wieder vergewissern wollte, ob sie noch da wäre. Schließlich war er froh, das Restaurant verlassen zu können.
Um 21.30 Uhr erreichte er ‚Am Rossmarkt‘ in Memmingen. Hotel Falken, Tiefgarage, an der Rezeption viel Betrieb.
In seiner komfortablen Suite verriegelte er die Tür. Schütz handelte streng nach den Anweisungen Schweigers. Er schob einen doppelten Riegel vor, legte die Vorhänge vor die Fenster. In einer Ecke des Wohnraumes lud ein viel zu kleiner Schreibtisch zur Arbeit ein. Ein runder Tisch mit zwei Sesseln für ein gemütliches Gespräch, Schränke, an den Wänden Spiegel, das war das Mobiliar. Aus seinem Anzug holte er umständlich seine Lesebrille hervor. Schließlich wollte er gleich in den Dokumenten blättern und vielleicht könnte er etwas über die Intercom finden? Er legte den geheimnisvollen Koffer auf den Tisch, setzte sich daneben. Dann öffnete er die beiden Schlösser rechts und links ohne den Deckel anzuheben, als es klopfte. Er erhob sich und öffnete die Tür. Der Direktor vom Dienst selbst gab sich die Ehre. Eine Champagnerflasche mit den besten Empfehlungen der Geschäftsleitung. Der Direktor stellte das kleine Tablett auf den Tisch neben der Tür, starrte zu lange in den glitzernden Spiegel, fragte noch nach weiteren Wohltaten, die er seinem Gast antun könnte. Grinsend wünschte er einen schönen Abend. Schütz drückte die Tür hinter dem Sektboten zu, verschloss sie wieder und wandte sich um.
„Scheiße“, rief er halblaut. Der Kofferdeckel hatte sich durch den Innendruck selbstständig gehoben.
Entsetzt starrte Schütz auf die dicken Bündel von Banknoten. Nur knisternde Geldscheine, alles voller Geldscheine. Noch nicht einmal ein Blatt Papier als Abdeckung war darüber gelegt. Nagelneue Noten, alles die grasgrünen Zweitausender mit dem Kopf von Adenauer. Da auch der Deckel außergewöhnlich bauchig war, hatte Schweiger ihn genauso mit den Scheinen vollgestopft. Als sich der Deckel wie von Geisterhand geöffnet hatte, waren einige Bündel von oben abgerutscht und hatten es sich auf dem Tisch bequem gemacht.
„Verdammter Mist“, schimpfte er. Das hätte man ihm sagen sollen. Hatte der Hoteldirektor
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