Der Kofferträger (German Edition)
„Vorzimmermieze“ für den alten Drachen im Sekretariat. Frau Hubert drohte schon wegen ihres Äußeren jeder nur angedachten Annäherung ein Ende zu bereiten. Schweiger aber fuhr schon fort.
„Jetzt hör mal zu, mein Bürscherl, morgen Nachmittag treffe ich dich in der Schweiz. Der Ort heißt Arbon. Ein kleines Nest am Bodensee. Dort gibt es eine Seglerbar. Ruf mich vor der Ankunft auf meinem Handy zurück. Bringe einen Belosio-Aktenkoffer mit. Sechzehn Uhr treffen wir uns dort.“
Schütz hatte noch so viel auf der Zunge, so viel zu fragen. Schweiger hatte bereits eingehängt. Das Telefon schien noch rot zu glühen von all den geheimen Sprüchen, die da auf ihn eingehämmert waren.
Gut denn, er würde es tun. Das schlimmste Eingeständnis, das er sich gegenüber H.B. leisten könnte, wäre ein Versagen in dieser Situation.
„Ich will das Zeugs, das Papier, endlich loswerden“, hatte Schweiger am Telefon mürrisch gebrüllt. Wahrschei nlich war es ein Geheimdokument? Nicht die geringste Andeutung hatte er gemacht. Und er, Jürgen, hatte nicht mit einem einzigen Wort danach gefragt. Noch nicht einmal den Ansatz einer Frage hatte er gestellt. War dies das erste Zeichen des Einverständnisses eines konspirativen Treffs? Alles Quatsch, sagte er sich, alles Quatsch. „Jetzt hol’ einfach die Papiere ab und komme wieder gut zurück.“
6 Das erste Schwergewicht
Sein BMW schoss aus der Garage und jagte bald pfeilschnell über die Autobahn. Schon an der nächsten Ausfahrt verließ er sie wieder, wendete und kehrte in die Stadt zurück.
Frau Klingenberg wendete die Zigarettenschachtel in ihren Händen und kam zu demselben Ergebnis wie er vor ein paar Tagen.
„Das ist die Schrift meines Mannes“, sie legte die Schachtel ‚ Happy Hour ‘ zurück auf den Tisch.
„Gibt es irgendwelche Geheimnisse, über die er vor seinem Tod sprach? Auch, wenn es Ihnen schwerfällt, darüber zu reden?“
Sie steckten die Köpfe zusammen, zwischen ihnen eine harmlose Zigarettenschachtel.
Nach einer halben Stunde jagte Schütz wieder über die Autobahn nach Süden.
Die Frau hatte nicht viel von den Geheimnissen ihres Mannes gewusst.
„Doch, noch eine Sache fällt mir ein, ein merkwürdiges Ding“, mit gerunzelter Stirn hatte sie Schütz angeblickt. „Einmal kam er seltsam durchnässt nach Hause. Er erzählte mir, der Regen hätte ihn überrascht. Seltsam nicht wahr?“, hatte Frau Klingenberg gefragt.
„Warum seltsam, wenn er im Regen nass geworden war?“
„Es hatte schon seit einer Woche nicht mehr geregnet.“
„Ja, das ist seltsam“, Schütz hatte dem Ereignis keine Bedeutung beigemessen.
„Mein Mann kehrte niemals glücklicher und zufriedener Heim, als an dem Tag seiner fristlosen Entlassung.“ Frau Klingenberg hatte schnell das Thema zu wechseln versucht. In den Augen seiner Frau hatte Klingenberg an dem Tag seines Rauswurfs seinen Stolz und seinen aufrechten Gang wieder gefunden.
„Dann wollten sie ihn kaufen“, fuhr sie fort, „wollten sein Schweigen erkaufen für eine Million Mark. Auch das lehnte er ab. Irgendwann“, so hatte sie weiter berichtet, „kamen zwei Herren. Sie baten ihn offiziell zu einem Gespräch ins Kanzleramt. Das war das letzte Mal, als ich ihn sah. Mach dir keine Sorgen, hatte er noch in der Wohnungstür zu mir gesagt, ich bleibe mir treu.“ Zorn und Hass überwogen ihre Trauer.
Dann hing er an einem Seil in der Elberfelder Straße, dachte Schütz.
Mit dem sportlichen Fahrzeug jagte er über die Autobahn Richtung Rohrschach. Es war jetzt an der Zeit, seinen Partner anzurufen. Schweiger meldete sich sofort. Er wirkte nun viel ruhiger als bei seinem Anruf nach Berlin. Wahrscheinlich war er froh, die Papiere los zu werden. Ohne lange Umschweife gab er seine detaillierten Anweisungen.
„In Arbon gibt es ein Seglercafé. Dort kehren Sie ein. Fragen sie nach mir. Auch wenn ich noch nicht da sein sollte, wird man Sie an einen Tisch führen, mit Seeblick. Setzen Sie sich mit dem Rücken zur Wand an das Fenster. Stellen Sie ihren Koffer unter den Tisch an die Fensterseite. Haben Sie ihn dabei? Ja? Gut. Wenn ich später den Raum vor Ihnen verlasse, werde ich Ihren Koffer mitnehmen. Sie nehmen meinen mit. Am Griff ist ein Faden, fast unsichtbar, aber fest. Hängen Sie die Schlaufe an ihr Handgelenk, so lassen Sie den Koffer nicht irgendwo stehen. Kapiert? Bis dann.“
Bevor der Bote sein ‚Verstanden‘ angemessen militärisch brüllen konnte, hatte Schweiger
Weitere Kostenlose Bücher