Der Kofferträger (German Edition)
ausgestreckt, drückte seinen schwarzen Hut über die Augen, als hätte er eine Rolle in einem Film übernommen. Der Kumpan vom Schiff schien der Harmloseste zu sein. Er stand am Fenster und schaute hinaus. In der Finsternis der Nacht konnte er sicher außer ein paar glimmernden Sternen nichts entdecken. Er wollte aber sichergehen, ob sich jemand dem Haus näherte. Er hatte seine Hände in den Hosentaschen vergraben und kaute auf einem Kaugummi herum. Wie ein Wachhund lag der Brutale vor der Tür. Er würde jeden niederschmettern, der einen Fuß über die Schwelle setzen würde. Der Dicke schien nur ruhig. Im Grunde war er der Nervöseste. Seine Rolle zwischen brutaler Begierde und unterwürfigem Gehorsam ließ in seinem Kopf ein explosives Gemisch entstehen.
„Keinesfalls dürften sie sich“, dachte Corinna, „dem Herrschaftsgehabe der beiden anderen anschließen. Sie mussten sich den Dicken eher zum Freund machen.“
Jeder schlief gerade dort, wo er hockte, wobei die Banditen sehr darauf achteten, dass stets einer von ihnen Wache hielt.
Alldieweil beschäftigte sich Jürgen mit dem Gedanken, o b sie hier jemals wieder herauskämen. Sollte das jetzt endgültig ihr …? Schnell verjagte er den bitteren Gedanken.
4 8 Wahlrede vor Gericht
Horst und Stahl fragten sich nervös, ob die Kronzeugen rechtzeitig eintreffen würden?
Zu den Vorwürfen, die der Staatsanwalt zuvor an Herrn Braunegger gerichtet hatte, wollte Richter Dr. Hufschmied den Kanzler selber hören.
H. B. rauschte auf den Zeugenstand wie bei einem inszenierten Wahlkampfauftritt. Zu schade nur, dass bei diesem Prozess die Fernsehkameras nicht zugelassen waren. Zuschauer, Rechtsvertreter und Richter spürten den Luftzug der Kanzlererscheinung.
„Hohes Gericht“, dozierte er mit wässrigen Augen. „Dies ist ein trauriger Tag für mich“, dabei senkte er demütig seinen Kopf. „Es geht hier um das versuchte Verbrechen, die Bundesrepublik Deutschland an unsere Feinde auszuliefern. Seit mehr als siebzig Jahren habe ich meinem Vaterland gedient.“ H. B. sprach offensichtlich von seinem ganzen Leben, nicht nur von seiner Kanzlerschaft.
„Mein Neffe, dem ich grenzenloses Vertrauen geschenkt habe, glaubte sich dazu berechtigt, meine Treue zu ihm und zu meinem Vaterland zu missbrauchen. Meine Grundwerte von Recht, Ordnung und Anstand hat er schmählich hintertrieben.“
Aus der Sicht von Dr. Stahl und Dr. Horst hatte er das falsche Manuskript hervorgezogen. In die Argumente um Wählerstimmen mischte er nur ab und zu den Grund für dieses Verfahren ein. Wahrscheinlich erinnerte er sich nur sporadisch an die Anklage, die ihn ansonsten recht wenig zu interessieren schien.
„Die verdammte Pflicht und Schuldigkeit eines Staatsmannes ist es, sich im Sinne des Gemeinwohls einzusetzen. Ich habe mich mit einem Eid zum Bundeskanzler verpflichtet, meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren, Schaden von ihm zu wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes zu wahren und zu verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben. Als streng gläubiger Katholik habe ich meinem Schwur freiwillig hinzugefügt „So wahr mir Gott helfe“.
Stahl dachte, spätestens bei dem Schwur musste ihn Gott verlassen haben.
„Die Einhaltung des neuen Parteiengesetzes, an dessen Gestaltung ich aktiv mitgefeilt habe, habe ich als Parteivorsitzender der PCD ebenso mit einem Schwur bestätigt. In diesem Sinne stand ich immer getreu an der Seite meiner Partei.“
Die Worte aus dem Mund des Regierungschefs gewannen an Inbrunst.
"Stets habe ich die Partei als Heimat- und Ideengemeinschaft begriffen. Niemals ging es mir um Ämter und Geld.“
Sein Temperament hatte deutlich zugelegt. Aber immer weiter entfernte er sich von der Anklageschrift. Nicht einmal das Gericht sah sich zum Einschreiten genötigt. Der Generalstaatsanwalt schickte ein vergnügliches Lächeln aus seinen Augenwinkeln an Dietrich.
„Es ist unerträglich, dass das deutsche Volk so etwas über sich ergehen lassen muss. Sie sehen in den Augen des Mannes, der sein ganzes Leben der Bundesrepublik Deutschland und der Kraft des Vereinigten Europas gewidmet hat, nur bittere Enttäuschung, Wut und Ratlosigkeit. Oh Kanzler“, rief er sich selbst zu und legte die rechte Hand auf sein Herz, „auch du bist nicht gefeit gegen die Untreue dieser Welt. Ich bin auf euch alle angewiesen, helft mir“, rief er dem Publikum zu
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