Der Kofferträger (German Edition)
schwere Stablampe über den Schädel ziehen. Er glaubte, sein polterndes Herz müsste die Tür zum Vibrieren bringen. Nur mit geöffnetem Mund atmete er. Ansonsten befürchtete er, das Geräusch des Einatmens durch die Nase könnte draußen vernommen werden.
Dann hörte er, wie die Klinke gedrückt wurde. Gleichzeitig hob er seine Stablampe, um sie im rechten Moment auf den Schädel des Einbrechers zu schmettern. Es dauerte eine Ewigkeit, bis etwas geschah. Langsam nahmen die Gegenstände im Treppenhaus Konturen an, als er sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte. Neben der Treppe stand eine Amphora. In die würde der nächtliche Eindringling stürzen, wenn er unter dem Schlag zusammenbrechen würde. Jürgen würde sich sofort hinterher werfen, um ihm die Knochen zu brechen.
Er starrte wie gebannt auf die Klinke. Wie von geistiger Hand hatte sie sich nach unten bewegt. Plötzlich flog die Tür auf. Gleichzeitig sauste Jürgens schwerer Prügel nieder und traf ins Leere. Er schlug sich mit dem Schwung selbst gegen das Knie seines linken, vorgestellten Beines. Dabei fiel er nach vorne. In dem Augenblick traf ihn ein Schlag auf den Hinterkopf, und er stürzte krachend zu Boden. Mehrere Lampen erhellten den Flur. Drei Personen stürmten herein. Einer kniete sich auf den Rücken des am Boden liegenden Jürgen. Ein Zweiter ergriff Corinna und drehte ihr einen Arm auf den Rücken. Der Dritte leuchtete behände den Raum aus, als suchte er nach weiteren Personen.
„Niente“, rief er. Dann lief er die Treppen hoch und kontrollierte alle Räume. Als er zurückkam, hatten die beiden anderen Jürgen und Corinna ins Wohnzimmer verfrachtet. Sie kauerten auf getrennten Sesseln, mit auf dem Rücken gefesselten Händen. Die Männer hatten in allen Zimmern das Licht angeknipst. Ungeniert unterhielten sie sich über das, was vorgefallen war. Corinna drohte das Bewusstsein zu verlieren, hielt sich mit Gewalt wach, weil sie unbedingt deren Worte mitbekommen wollte.
Als sie die Gesichter der Einbrecher erkannte, war ihr kotzübel geworden. Mit einem Schlag roch sie das Blut, das Meerwasser, sah den Speichel vor den Mäulern und das infernalische Grinsen der Verbrecher. Alle drei kannte sie aus vergangenen Tagen. Es waren die drei Mafiatypen, mit denen sie schon einmal zu tun hatte. Der Brutale, der sie in ihrer Wohnung überfallen hatte. Sein breites Gesicht und die dicke Nase erinnerten an einen Catcher. Seine Hände glichen den Pranken eines Bären. Der Blonde war der eleganteste unter ihnen. Er würde sich seine Hände nicht mit Menschenblut beflecken. Dazu hatte er die beiden anderen. Den einen für das Grobe, den anderen für die intelligenteren Lösungen. Das war der andere Kumpan vom Schiff. Das Erkennen der Gestalten versetzte sie in Panik. Von allen Dreien wusste sie, dass sie mit finaler Entschlossenheit und Grausamkeit vorgingen. Es bedeutete Quälerei und Tod.
Sie wandte sich nach links zu ihrem Freund, der angestrengt auf seinem Platz hockte. Jürgen dachte längst an die verschiedensten Lösungsmöglichkeiten des Problems, in das sie geraten waren. Aber auch ihm musste die Situation ausweglos erscheinen.
„Jürgen, das sind die Drei“, flüsterte sie.
„Halts Maul“, rief der Brutale und knallte ihr eine Faust ins Gesicht. Blut spritzte aus ihrer Nase und aus dem Mund. Die Lippe war aufgeplatzt. Er riss ihren Pullover hoch und grinste. „Na, da sind sie ja noch die schönen Zeichen“, sabbelte er aus lüsternem Mund und fuhr mit dem Zeigefinger über die vernarbte Brust.
Die Worte, die folgten, merkte sie sich genau, um daraus gemeinsam mit Jürgen die notwendigen Schlüsse ziehen zu können.
In Gedanken übertrug sie die italienischen Begriffe ins Deutsche für ihren Freund, oder sie würde es später tun.
„Stopp“, schnauzte der Blonde den Brutalen an. „Hör mit deiner Prügelei auf. Die gehört nicht dir. Nur ‚er‘ wird sagen, was geschehen soll. Die Geschichte ist zu wichtig, als dass du deine Lust austoben könntest. Wir müssen ‚ihn‘ anrufen.“
Das unbefangene Reden in ihrer Anwesenheit bedeutete nichts Gutes. Corinna zitterte. Wenn sie so offen sprachen, dann nur, weil sie wussten, ihre Zuhörer könnten die Gespräche nicht weiterleiten.
Der Blonde rief noch mitten in der Nacht ‚ihn‘ an, von dem sie zuvor erfahren hatten. Sie entschieden also nichts selbst. Für jeden Schritt mussten sie offenbar ‚seine‘ Entscheidung herbeiholen.
„Presidente‘, rief der Blonde in das Telefon,
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