Der Kofferträger (German Edition)
angegebenen unterirdischen Archive ein. Selbst die Presse war dazu eingeladen gewesen, als sich die gähnende Leere der Katakomben erwies.
Dr. Jost konnte sich des Erfolges seines Auftritts sicher sein. Er genoss die zahlreichen Lacher aus dem Publikum. Selbst das hohe Gericht konnte sich eines Grinsens nicht erwehren.
„Es wird Zeit diese Treibjagd zu beenden“, fuhr Jost erbarmungslos fort, „wo ist das Wild, das diese Jäger unentwegt suchen? Herr Dr. Horst, Herr Dr. Stahl geben Sie auf!“ Lächelnd mit einem Nicken zu H. B. nahm er an seinem Verteidigertisch Platz. Görres lächelte Dietrich zu, der seine Nachbarin Anita in den Arm nahm.
Bevor der Kanzler zu seiner Verteidigungsrede anhob, griff noch einmal Dr. Horst ein.
„Hohes Gericht, vom Kanzleramt ist der Selbstmord des Herrn Jürgen Schütz in seiner Badewanne gemeldet und vom Generalstaatsanwalt bestätigt worden. Frau Anita Schütz und der Bundeskanzler haben die Leiche identifiziert. Der Autopsiebericht bestätigt ebenfalls den Selbstmord. Anschließend ist die Leiche sehr schnell im Krematorium verbrannt und die Asche bestattet worden.“
Während seiner Worte fand er zum ersten Mal heftige Zustimmung bei Anita Schütz, dem Bundeskanzler und Dr. Görres. Selbst Dietrich, der mit diesen Vorgängen nichts zu tun hatte, nickte eifrig.
„Ich stelle mit Genugtuung fest, dass ich bei den beteiligten Personen auf Zustimmung stoße. Wir haben berechtigte Gründe, an der Wahrhaftigkeit dieser Vorgänge zu zweifeln. Ich beantrage zu dem Selbstmord des Herrn Schütz Frau Anita Schütz, Herrn Dr. Görres, den Herrn Bundeskanzler und die beiden beteiligten Ärzte aus der Autopsie im BKA vor Gericht vernehmen zu können. Ihre Aussage soll unter Eid gestellt werden. Schon jetzt würde ich gerne die Frage beantwortet haben, warum dem testamentarischen Wunsch des Herrn Schütz, auf See bestattet zu werden, nicht Folge geleistet wurde.“
Bei seinen Worten gab es nur noch einen, der grinste. Der Kanzleranwalt Dr. Jost war über die tatsächlichen Vorgänge nicht informiert. In den Gesichtern der namentlich Erwähnten las Horst Unruhe und Unsicherheit.
Oberstaatsanwalt Dr. Horst ließ sich auf ein Streitgespräch über sein beantragtes Vorgehen ein. Er könnte die Glaubwürdigkeit des Kanzlers mit den korrigierten Aussagen der beiden Autopsieärzte erschüttern. Was ihm aber noch viel wichtiger erschien, er würde Zeit gewinnen, bis sie endlich mit den gewünschten Dokumenten vor Gericht auftreten könnten. Das Gericht gab dem Antrag statt, die Vernehmung sollte zu einem anderen Zeitpunkt stattfinden. Ob es dazu noch kommen würde, wusste selbst Horst nicht.
47 Überfall am Golf
K önnten sie in Berlin zum Prozess rechtzeitig anreisen?
Wieder erfüllte in dieser Nacht ein seltsames Geräusch das in friedlicher Stille schlafende Haus am Golf von Tarent. Noch vor einer Sekunde hatte er an einen finsteren Traum geglaubt. Jetzt bestätigte sich die Vermutung. Irgendjemand machte sich an der Haustür zu schaffen. Jürgen lauschte aufmerksam. Unruhige Lichter wischten von außen über die Fenster ihres Schlafzimmers und über die Krone der mächtigen Pinie vor dem Eingang. Murmelnde Stimmen begleiteten das Kratzen und Schaben am Türschloss.
In ihrem Zimmer war es stockdunkel.
„Corinna, Corinna, wach auf“, flüsterte er und rief gleich danach mit leiser Stimme: „Pscht, pscht.“
„Was ist, was ist?“ Ihr fiel die Orientierung schwer.
„Pscht, leise. Da ist jemand an der Haustür, draußen.“
Oft war wegen der schlechten Zuleitung in ihrem Haus der Strom ausgefallen. Daher lag an seinem Bett griffbereit eine Taschenlampe. Jürgen kleidete sich im Dunkeln behände an und griff nach dieser Lampe, die lang und schwer genug war, auch als Schlagstock zu dienen. Die Vorsicht hatte ihn gelehrt, sofort auch die sportliche Jacke mit Papieren und Geld anzuziehen. Corinna hatte sich ebenso schnell in ihren leichten Pullover und die Jeans geworfen. Beide trugen Turnschuhe.
Sie versuchten, sich leise die Treppe hinunter zu bewegen. Das alte Holz knarrte und knarzte, nahm nicht die geringste Rücksicht auf ihr lautloses Bemühen. Schon standen sie unten im Hausflur. Das Schaben hatte aufgehört. Stille, als wenn niemand zugegen wäre. Jürgen drückte sich neben der Tür an die Wand und schob Corinna mit einer Hand hinter sich. Dann machte er sich zu einem Angriff bereit. Wenn sich die Tür öffnete, würde er dem hereinkommenden Einbrecher die
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