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Der Kofferträger (German Edition)

Der Kofferträger (German Edition)

Titel: Der Kofferträger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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Abteil. Mit starrem Blick stierte er auf den schmutzigen Kunststoffboden und sah doch mehr als nur die wirren Strukturen des abgescheuerten Plastikbelages. Die letzten drei, vier Tage hatten einen klebrigen Schleier von seinen Augen gezerrt. Der undurchdringliche Nebel vor unerklärlichen Geschehnissen, der erst vor kurzer Zeit aufgekommen war, begann sich teilweise zu lichten.
    Josef Biermacher, die treue Nachtwächterseele hinter der gläsernen Drehtür, begrüßte ihn freundlich.
    „Na, wollen sie noch arbeiten?“
    „Ja, Jupp, ich war ein paar Tage unterwegs“ gab er dem Rentner zur Antwort, „es gibt noch einiges aufzuholen. Lassen Sie es mich wissen, wenn ich unerwarteten Besuch bekommen sollte."
    Selbst in seinem Büro fühlte er sich nicht mehr sicher. Wurde er hier von geheimnisvollen Kräften beobachtet ? Auf Schritt und Tritt fühlte er jede seine Handlungen und Bewegungen beobachtet. Dabei begann er, einen Ablauf zu organisieren. Er sollte ihm in den nächsten Tagen und Wochen Sicherheit in vorgetäuschtem routinemäßigem Handeln geben. Er legte unbedenkliche Papiere auf den Tisch und schaute sie sehr sorgfältig an, um im Falle einer Überraschung über einen wichtigen Vorgang reden zu können.
    Nur die betrügerische Unruhe hatte ihn zu so später Stunde in das gläserne Haus getrieben. Irgendwo nebenan lagen fünf Millionen DM in bar in einem metallenen kleinen Aktenkoffer, den er persönlich hierher gebracht hatte. Keine Quittung für Schweiger, kein Nachzählen erforderlich, noch nicht einmal abgeschlossen war das Ding. Auf einmal sah es so aus, als wenn diese Aktion geplant gewesen war, um ihn mit einem Überraschungscoup zum Mitwisser zu machen. Ein Mitwisser, der durch langfristig angelegte Geschenke seines Onkels zum Mitgenießer wurde.
    Diese überraschende Reise war das notwendige Gesellenstück, vielleicht sogar seine Meisterprüfung gewesen. Nun also hatte ihn die Familie des Paten endgültig adoptiert. Sie sorgte für ihn, kümmerte sich um ihn. Dafür aber hatte er schweigend seine Clanpflichten zu erfüllen.
    Die ‚Intercom‘ Akte war einfach nicht aufzufinden. Erneut machte er sich auf die Suche in dem kleinen Schrank neben Brutus. Alles Kleinkram, unbedeutend, verge ssene Ablage, Schreddermaterial. Dann stieß er auf einen Hängeordner mit der Rückenbeschriftung ‚gelöscht‘. In den schaute er hinein und wurde fündig.
    Beim Durchblättern der Seiten am Schreibtisch von H.B. legte er seine rechte Hand unwillkürlich auf Brutus. Er streichelte über die durch zu häufiges Berühren eingeebneten Marmorhaare. Was er da bei der Lektüre fand, war starker Tobak. Zunächst war die ‚Intercom AG‘ als Beratungsfirma, quasi als Mädchen für alles beschrieben. Zweck des Unternehmens, Gesellschaftsform, Kapitalausstattung, Sitz der Firma in Vaduz, Geschäftsführer, Anzahl der Mitarbeiter, Bürogebäude, Eröffnungsbilanz, einige Geschäftsvorgänge, das meiste überflog er. Dann wurde die Firma gesplittet. Die Mitarbeiter wurden sämtlich in einen anderen Zweig übernommen. So wie es sich las, in den arbeitenden Zweig. Die AG selbst war noch diejenige, die einige Beratungsfunktionen übernahm. Der Geschäftsführer in beiden Gesellschaften war derselbe, ein Schweizer. Es wurde nun interessant. Die Mutter-AG hatte keine weiteren Mitarbeiter, bis auf den Geschäftsführer. Die Gesellschafter aber besaßen beide Firmen, das ging aus den Unterlagen hervor. Der Sitz war nicht mehr Vaduz. Aber wo war er nun? Wer waren die Gesellschafter? Wo fand er die Antwort auf diese Fragen? Wer hatte sein Kapital da hineingesteckt, wer profitierte davon? Die Beratungs-GmbH ging ganz normalen Geschäften nach, wie aus den wenigen Unterlagen ersichtlich. Personalberatung für andere Unternehmen, Kapital-, Finanzierungs- und Sonderberatung. Keine weiteren Geheimnisse. Gab es welche? Es musste sie geben. Andernfalls hätte man nicht eine zweite Firma unter der Ersten gründen müssen.
    Ihm hatte doch vor ein paar Tagen die neueste Rechnung in Höhe von 1,2 Mio. auf dem Papier der Intercom vorgelegen. Eine Firma, die hohe Rechnungen schrieb, eine Firma, deren zwielichtige Tätigkeit nicht deutlich zu erkennen war. Sie hatte außer einem nicht fassbaren Geschäftsführer keine weiteren Mitarbeiter, und der Geschäftsführer selbst stellte die hohen Rechnungen aus. Es gab keine Kontoangaben, keine weiteren erhellenden Details. Nur auf einer Seite entdeckte er zu einer Textstelle eine Randbemerkung. Der

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