Der Kofferträger (German Edition)
ausbrechen will, wird mit der Peitsche und Hunden wieder eingefangen. Zum gemeinsamen Sieg gehören Verluste. Die paar Krüppel, die wir zurücklassen müssen, sind die Späne, die beim Hobeln anfallen. Jedes Mittel ist recht, unser Ziel zu erreichen.
Unsere Gegner sind alle diejenigen, die auf diesem Weg in der großen Herde nicht mitma rschieren wollen. Politisch sind das die Grünen und die Roten. Die Grünen sind die ärgsten Feinde. Ihre Vorstellungen von Sauberkeit und Ehrlichkeit passen nicht in unser Konzept. Wir werden sie austrocknen. Die Roten werden ein leichtes Spiel für uns sein. Nichts als die demokratische Legitimation unseres Machtanspruches
Und ihr sorgt dafür, dass uns alle Mittel zum Erreichen unserer Ziele zur Verfügung stehen. Schwärmt aus und sät Gras. Es ist das Futter für Rinder. Es ist eure Verpflichtung. “
„Und sie gingen hinaus und wurden die großen Führer in Industrie, Banken, Handel und Politik“, hatte der Augen- und Ohrenzeuge des damaligen Gründungskonvents lakonisch hinzugefügt.
Die Studenten bei ‚Pater Patriae‘ wurden Mitglieder auf Lebenszeit. Die erste Altherrenriege und Ehrenmitglieder waren die Führungskräfte der MESF.
Noch einmal wandte sich Jürgen dem Marmorkopf zu und untersuchte ihn aufs Neue. Alle Seiten nahm er in Augenschein, ließ seine Fingerspitzen über die fadenscheinigsten Flächen gleiten.
„Komm’ Freundchen“, becircte er den hart gesottenen Schädel, „gib dein Geheimnis preis.“
Auch Caesar hätte in Brutus niemals seinen Mörder erkannt. Spielte der Kopf aus dem harten, weißen Gestein von Carrara wirklich nur die bescheidene Rolle einer Stütze beim Handauflegen? Nicht die Spur einer Öffnung war zu finden. Dann nahm er sich die Tempelsäule vor, auf deren Schultern das Haupt von Brutus ruhte. Allein dieser neue Gedanke versetzte ihn in eine ahnungsvolle Spannung. An die tragende Säule hatte er bisher bei seinen Untersuchungen nicht gedacht.
Er ging vor Brutus in die Knie, streifte dessen harte Augen und dann war ihm ein Blick unter die Auswülstungen vergönnt. Eine kleine, steinerne Vertiefung, gerade mit dem Durchmesser eines durchschnittlichen Zeigefingers. Mit Vorsicht drückte er seinen linken Zeigefinger in diese Vertiefung und vernahm ein fast unhörbares, schabendes Geräusch, als wenn irgendwo ein Stift zurückfuhr. Dann stellte er sich ganz dicht neben ihn, nahm den edlen Kopf in beide Hände und versuchte ihn anzuheben. Das Haupt des Caesarmörders wog zu viel, als dass es sich bewegen lassen würde. Jürgen kniete sich auf den Boden und flüsterte noch einmal, „Gib dein Geheimnis preis“, wobei er den Kopf, der genau vor seinem Gesicht ruhte, mit beiden Händen umfing. Mit Leichtigkeit drehte sich das Haupt um die eigene senkrechte Achse, so als gäbe es dort ein besonders gut geführtes Gelenk in der Stärke eines menschlichen Halses. Schütz half noch ein wenig nach und dann entdeckte er es.
In einer kleinen Mulde, nicht länger als vielleicht sechs, nicht breiter als drei und nicht tiefer als einen halben Zentimeter, ruhte ein goldener Schlüssel. Er jubelte innerlich über die Entdeckung. Schütz war sich sicher, die Büste des Michelangelos hatte nun ihr Geheimnis verraten.
Natürlich war er nicht aus Gold. Eher Bronze, oder Messing. Ein Schlüssel, wie er für Sicherheitsschlösser in Kellerräumen benutzt wurde. Ein Schlüssel, der vielleicht alle seine Nachforschungen zum Ergebnis oder ad absurdum führte. Ein Schlüssel, dem man ansah, dass er nicht oft eingesetzt worden war. Sein einziges besonderes Merkmal erhielt er durch die Einmaligkeit seines Aufbewahrungsortes. Schütz ließ ihn in seine Tasche gleiten. Auf jeden Fall benötigte er eine Kopie. Mit einem brutalen Ruck brachte er, einem Chiropraktiker gleich, Brutus in seine Ausgangsposition, hörte deutlich ein Klicken, das den gesunden Einrastpunkt anzeigte. Dann versetzte er dem freundschaftlichen Mörderhaupt noch einen liebevollen Klaps und verabschiedete sich.
*
Auf den geheimnisvollen Schlüssel schaute selbst Grabowski erstaunt. Der Inhaber der kleinen Schlosserwerkstatt hielt ihn in Händen. „Ein wundervolles Stück“, lobte er, „woher haben Sie den denn bekommen?“
„Nun, mein Onkel hat ihn mir zugeschickt. Eine Art Erbschaft. Er vermachte mir den Inhalt des Raumes, zu dem er passte, wenn er einmal das Zeitliche segnen würde“, log Schütz. „Ich will ihn auf keinen Fall verlieren, sonst weiß ich ja
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