Der Kofferträger (German Edition)
Geschwindigkeiten die Sonne umkreist und sich dabei in atemberaubenden Zyklen dreht. Für Bruchteile von Sekunden erblickte er das Felsgewölbe über sich, wie es an ihm vorbei raste, als gehöre es einem anderen fernen Universum an. An seinen Füssen zerrte eine verschlingende, saugende Kraft, umgriff ihn mit stählerner Faust und zog in die kochende Tiefe. Gegen diesen unerwarteten Feind erwuchsen Jürgen Schütz übernatürliche Kräfte. Seine eigene geheimnisvolle Stimme prophezeite ihm: „So nicht, so einfach lässt du dich nicht besiegen.“
Noch immer schoss er in die Tiefe, hielt den Mund und die Lungen verschlossen. Sein Brustkörper drohte ihm, wie eine Panzerfaust auseinander zu bersten und ihn zu zersprengen. Erst, wenn er wüsste, wie lange er noch durch das Wasser tauchen würde, könnte er die Luft langsam aus seinen gequälten Lungenbläschen entweichen lassen. Dem tödlichen Druck musste er bald ein Ende setzen.
Sein Rücken schrammt e an einer Felskante vorbei und riss die Haut auf. Wie einen ausgelutschten Kaugummi spuckte der scheinbar tödliche Strudel den Mann in ruhiges Gewässer. Plötzlich um ihn herum unheimlich anmutende Totenstille. Sie verhieß ihm Friedfertigkeit und neues Leben. Nach kurzen Augenblicken der Besinnung entdeckte er über sich graues, gesprenkeltes Licht, das, Wassertropfen gleich, in seine Augen fiel.
Die Spree schob sich gemächlich durch Berlin. Durch ihre graue Oberfläche bohrten sich die wilden Tropfen eines herabrauschenden Wolkenbruches. Er streckte den Kopf aus dem Wasser, entdeckte das Grün eines ruhigen Wiesenufers. Mit letzten Kräften rettete sich Schütz vor einer S-Bahn Brücke aus der finstersten Umklammerung seines bisherigen Lebens.
Mit diesem Sieg hatte er dem Tod ins Auge geschaut und ihm die kalte Schulter gezeigt. Er war Gewinner geblieben. Wie der Sieger seine Wunden und Schmerzen nicht spürt, fühlte er nur neu erstehende Kräfte in sich wachsen, rüttelte sich auf und betrat sein Schlachtfeld aufs Neue.
Über die graue Stadt legte sich der Regen wie riesige Tücher voller Traurigkeit. In dem bedrohlichen Wolkenbruch würde er unter den hastenden und davon eilenden Menschen nicht mehr auffallen. Schütz quetschte mit seinen Händen die Nässe aus den Kleidern. Die Haare legte er sich mit den Fingern zurecht. Bald lief er zurück über den Spreeweg in das Zentrum. Sofort gehörte er zu all den anderen Menschen mit durchnässten Kleidern. Jeder Einzelne von ihnen kämpfte gegen den Wolkenbruch. Es trieb ihn bald zurück durch den Tiergarten zu den Toren seines Einstiegs. Vor dem gewaltigen Eingang des Reichstages bewegte sich trotz des miesen Wetters eine große Menschenmenge auf den vielen Stufen , als wollten sie alle das Allerheiligste sehen. Den Toten in den Wasserfluten hatte er vergessen. Die Kälte zerrte an seinen Nerven und es zog ihn schnell in eine andere Richtung, fort von den Touristengruppen. Schütz verschwand wie einer der vielen Unbekannten in fliehenden Menschengruppen.
Was hatte er erreicht, fragte er sich?
16 Geliebte Verräterin
Was hatte ihm der Ausflug in die Unterwelt gebracht? Er wusste jetzt von unterirdischen Archiven. Er sah die Intercom Papiere für jedermann nahezu unauffindbar in den Katakomben unter dem Reichstag.
Noch schauderte er ob der finsteren Erlebnisse. Woher sollte er wissen, wohin er sich bewegen konnte? So schaute er plötzlich, wie mit fern gesteuerten Schritten in die ‚ Urquellklause‘. An diesem späten Nachmittag war sie geöffnet, hatte aber noch keine Gäste. Mit einem hilflosen Wink machte Schütz durch die offen stehende Tür Angela auf sich aufmerksam. Das liebe Gesicht lächelte, fragte nicht, warum und weshalb, sie schleuste ihn durch eine Seitentür in ihre kleine Wohnung im ersten Stock über der Bar. Er entkleidete sich in Gedanken an Schicklichkeit und Anstand umständlich vor ihr. Dabei ließ sie ihm keine andere Chance, während sie interessiert in seinem Körper las. Aber außer schlotternden Gliedern gab es da nicht viel zu lesen. Dennoch, als ihn letztendlich ein bejahender Blick aus ihren verschwommenen Augen traf, kehrte schnell wieder alle Kraft in seinen Körper zurück. Seinen Anzug gab die junge Frau in eine Schnellreinigung.
Das heiße Wasser rieselte in der Kabine über seinen erkalteten Körper. Mit dem milden Wasserstrom wusch er sie aus dem Sinn, seifte sich ein und reinigte seinen Körper von einer teuflischen Unwirklichkeit, die er zum Leben erweckt
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