Der Kofferträger (German Edition)
Wer war Angela? Würde sie jetzt zu seinem Untergang beitragen?
17 Das alles soll dir gehören
Konnte das alltägliche Leben laufen wie bisher? Wer würde sich als Erster zu erkennen geben?
Sie hatten tief in die Kassen der Unternehmen gegriffen. Nach dieser zweiwöchigen Sammeltour kehrten sie erfolgreich heim. Sein Chef, W.B., und Jürgen. Der Generalbevollmächtigte hatte gehofft, seinem Kassenwart während dieser Aktion näherzukommen. Eher war es ihm vorgekommen, als würde ihn W.B. intensiver belauern als zuvor. Nun schwenkte Schütz am Samstagnachmittag in die von hohen Bäumen umsäumte Parkeinfahrt auf Nikolskoe ein. Wie der römische Feldherr nach gewonnener Schlacht im Triumphzug durch Rom marschierte, so fühlte er sich. Endlich wollte er sich der wohlverdienten Wochenend’ Ruhe hingeben. An diesem Junitag verwöhnte sie der Wettergott mit einem Himmel, der im tiefen Heidelbeerblau an die Weite des Universums erinnerte. Ein leichter Luftzug schenkte ihm aus dem Wald vor ihrem Haus frische, mit Sauerstoff angereicherte Luft. Das schätzte er an seinem Familiensitz. Als er seinem Wagen vor dem Haus entstieg, wurde seine Heimkehr von einem prächtigen Konzert der Singvögel aus den zahlreichen Laubbäumen begrüßt.
Freudig erregt fiel ihm Anita um den Hals. Sie küsste ihn zärtlich und lobte sein gutes Aussehen. Ein farbenfrohes, hawaiianische s Baumwollkleid umschmeichelte ihre Formen. Dabei gönnte sie ihm noch nicht einmal eine Tasse Kaffe auf der Terrasse. Schmunzelnd und mit geröteten Wangen legte sie ihm den Arm um die Hüften und bat ihn hinter ihr Anwesen.
„Ich habe eine kleine Überraschung für dich“, jauchzte sie. „Du wirst es nicht erraten. Was ich dir schon zum Geburtstag schenken wollte, habe ich endlich jetzt fertiggebracht.“
„Hast du den Wald gefegt?“, lachte Jürgen.
Anita führte ihn hinters Haus über den frisch gemähten Rasen zum Ende ihres Grundstückes. Dann entdeckte er einen neuen kleinen Weg zum See hinunter, den sie in den Boden hatte hauen lassen. Ein schmaler Waldweg, die Stufen gestützt durch kurze Balken, die auf dem absteigenden Gelände die Erde zusammenhielten.
„Mein Gott, Anita, du hast uns einen Weg bis zur Havel hinunter bauen lassen. Wie fantastisch. Endlich rutschen wir nicht mehr auf dem Hosenboden hinunter.“
„Es sind mindestens hundertelf Stufen. Ist es nicht leicht, sie zu begehen?“
Sein Staunen wurde grenzenlos, als sie am See anlangten. Er wusste weder, was er zunächst anschauen sollte, noch worüber er sich am meisten freuen oder was e r von dem Ganzen halten sollte? Erst nach einer Weile begriff er die Tragweite dessen, was er vor sich entdeckte. Freute er sich oder nicht?
„Was ist das, was ist das?“, fragte er unentwegt.
Am Ende des steilen Fußweges von ihrem schlossähnlichen Haus bis zum See reichte ein Holzsteg weit in das Wasser hinein. Auf stabilen Eichenpfosten, die tief in den Boden unter Wasser gerammt waren, ruhten breite Buchenbohlen. Vielleicht zwanzig, fünfundzwanzig Meter weit langte der Steg in den See. In den Winkeln rechts und links zwischen Steg und grünem Ufer war der Platz jeweils sinnvoll genutzt. Auf der rechten Seite erweiterte er sich in eine Terrasse. Mindestens zwanzig Menschen konnten darauf Platz finden. Ihm war nicht klar, was er damit anfangen sollte. Hatte sie eine neue Firma gegründet, eine Bootsgesellschaft für Rundfahrten über die Havel und den Wannsee? Ähnliches schien das Gebilde zu seiner Linken zu bestätigen. Ein Holzhaus, mindestens fünfzehn Meter lang, vielleicht sieben Meter breit und bestimmt sechs Meter hoch.
„Werde ich dort jetzt als Kassierer für das neue Un ternehmen meine Tage verbringen?“, fragte er skeptisch.
„So ähnlich“, lachte Anita freudestrahlend. „Ist das nicht ein herrliches Fleckchen Erde? Wir konnten es bisher gar nicht so recht genießen.“
Tausend Gedanken schossen ihrem Mann durch den Kopf. Wusste sie mehr als er? Wusste sie, dass der Kanzler ihn bald vor die Tür setzen würde, und er sich einen neuen Job suchen müsste. Wollte sie ihn dann näher bei sich haben, jeden Tag, als Kassierer einer kleinen Bootsgesellschaft? Würde er von nun an sein Leben als Rentner verbringen, in Ruhe und daheim zwar, aber dennoch langweilig? Oder würden sie beide bald über mehr Geld verfügen? Über viel mehr Geld? Was aber würde mit seiner Recherche geschehen? Die hatte er noch lange nicht zu Ende gebracht. War er einem verdammten
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