Der Kofferträger (German Edition)
aus dem Anzug genommen, bevor er ihn an Angela weitergegeben hatte. Warum hatte sie noch einmal ...? Mein Gott, welch ein Fehler? Selbst Angela? Der Kreis der Intriganten war gewachsen. Er konnte es nicht ändern, musste jetzt so schnell wie möglich vorankommen.
Schon näherte er sich wieder den nüchternen Geschäften der politischen und wirtschaftlichen Grauzone. Dem Volk würde er gerne einen Rundgang durch die Wasser bedrohten Katakomben gönnen. Dabei wäre ein Blick auf den Karteikasten mit dem Namen Intercom AG gewährleistet und er könnte anschließend von einem Gericht geöffnet werden. Selbst die geheimen Orte verbliebenen ’Graswuchses‘ aus der ersten Affäre mit dem Großindustrieellen tauchten wieder auf. Aus den unzähligen Fäden eines rohen Schafswollknäuels spann er den festen Faden über der Spindel, wie das große Geld hin und her transferiert worden war. Die ehemals verborgenen Wege tauchten aus dem verschwommenen Licht unterirdischer Geheimarchive auf und nahmen deutliche Konturen an.
Der fetteste Teil der erfolgreich versteckten zwölf Millionen DM aus der Hinterziehungsaffaire, genau sieben Millionen, waren an die „Intercom AG“ in Liechtenstein verschoben worden. Die vorliegenden Unterlagen gaben nicht preis, wer die profitsüchtigen Gesellschafter in dieser Scheinfirma waren. Zu einem späteren Zeitpunkt müsste er sich um die Kapitalisten kümmern. Dort lagen die Geheimnisse der finstersten Geschäftswelt verborgen. Doch schon heute wusste er, dass sich diese Frage zu dem zentralen Punkt seiner außerirdisch erscheinenden Entdeckungsreise entwickelte. Er ahnte, wenn er die Antwort in Erfahrung gebracht hätte, könnte er die letzte kleine Menge bis zur kritischen Masse hinzufügen. Dann würde die Atombombe des größten Schwarzgeldhandels der Geschichte der BRD explodieren und ganze Heerscharen von Beteiligten hinwegfegen.
Erst spät in der Nacht vertraute Jürgen die Dateien seinem Laserdrucker an. Noch musste er selbst diese geheimen Dokumente im Verborgenen halten. Er würde sie anderntags inklusive der Speicherchips dem Stapel der kritischen Masse in seinem Banksafe hinzufügen.
An demselben Abend noch verfasste er einen Brief an den Verfassungsschutz. Er kopierte ihn mehrere Generationen hintereinander, wobei die Schrift immer breiter wurde. Aus dem Schriftbild einen bestimmten Drucker ausfindig zu machen, schien ihm unmöglich. Aus dem Schreiben war nur zu entnehmen, das Kanzleramt hätte eine Leiche im Keller. Allerdings konnte er es sich nicht verkneifen, die Hexenmaske mitzuschicken. Beides zusammen steckte er in einen wattierten Umschlag und gab ihn irgendwo in Berlin auf. Alles mit Gummihandschuhen. Sorgfältig achtete er darauf, weder einen Fingerabdruck, noch Speichel an der Maske, dem Klebestreifen oder der Briefmarke zu hinterlassen.
Es verstrich noch nicht einmal eine Woche, als ihm Martin Kugler von einem offenbar hexistischen Sabbatfest in den unterirdischen Gewölben des Kanzleramtes berichtete. Von einem Arbeiter sei eine am Schädel operierte Leiche gefunden worden. Wohl das Opfer eines Ritualmordes. Wahrscheinlich hatten die Sektierer den Schädel geöffnet, um den Geist herauszulassen.
Sie hätte mindestens eine Woche im Wasser gelegen, wäre schrecklich aufgedunsen und bisher noch von niemandem identifiziert worden. Andererseits habe es auch noch keine Vermisstenanzeige gegeben. „Wahrscheinlich handelt es sich um ein Waisenkind oder einen Pennbruder“, flüsterte Martin aufgeregt.
„Vielleicht ein zum exzellenten V-Mann qualifizierter Knastbruder“, trug Schütz zu dem geheimnisvollen Fund bei.
„Ich hatte schon immer das Gefühl, mit diesen Löchern stimmt etwas nicht.“ Martin sprach mit einer belegten Stimme, als hätte er schon zuvor eine Weissagung gemacht. „Erinnern Sie sich, Herr Schütz, „wie ich Ihnen sagte, es sei verboten, dorthin zu gehen und auch abwegig?“
„Sie sagten es. Was haben die Leute auch dort zu suchen?“
„Man sollte den ganzen Bunker dort unten zuschütten“, sprach Martin von reinen Sicherheitsmaßnahmen.
„Zuschütten, und zuvor den Inhalt dem Volk zugängig machen“, unterstrich Schütz.
„Wie bitte, welchen Inhalt“?
„Ach, nur so.“
Martin ließ die Sache auf sich beruhen. Nur Schütz selbst fragte sich des Nachts, wenn die schauerlichen Wassermassen in seinen zitternden Träumen über ihm zusammenbrachen, ob sein unterirdisches Forschungsunternehmen tatsächlich so unbemerkt geblieben war?
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