Der Kofferträger (German Edition)
Reisen dazu selbst unternehmen.
Am Morgen ließ er den Hoteldirektor in seine Suite kommen, bezahlte in bar. Fünftausend Mark steckte er in die Tasche. Durch einen Hinterausgang erreichte er die Tiefgarage, ohne von irgendwem gesehen zu werden. Dann jagte er davon, Richtung Bodensee. Auf nach Berlin. In der Nähe von Lindau meldete sich sein Handy. Frau Hubert informierte ihn über einen neuen Einsatzplan.
„Wo sind Sie jetzt? Am Bodensee? Ist was, sie klingen so komisch.“
„Nein, nein, nichts, alles nur eine Frage der Optik, Frau Hubert.“
„Gut, sehr gut. Hören Sie bitte jetzt gut zu. Sie können nicht nach Hause kommen. Es geht einfach nicht. Fahren Sie dorthin zurück, woher Sie gekommen sind. Ich rufe Sie später wieder an.“
War das jetzt das Haltesignal, den Job des Kofferträgers sofort aufzugeben oder befand er sich mitten in einer reißenden Strömung, die seinen Weg bestimmte? Welche Alternativen hatte er?
20 Im Netz der Sp inne
War er bereits umzingelt? Erschreckt durchfuhr ihn die Sicht, wie die Sekretärin über ihn bestimmte.
Welche geheimnisvollen Aktivitäten waren in Berlin im Gange? In ihrer unnachahmlichen Schnelligkeit hatte sie aufgelegt, ohne eine Frage zuzulassen. Das Gespräch war beendet. Irgendwie war es ihm recht.
Was war in diesem Staat los? War er bisher blind durch die Lande gelaufen? Ahnte er bis vor Kurzem noch nicht einmal, welch schmutziges Geschäft in dem Büro nebenan und selbst von seinem Schreibtisch aus betrieben wurde? Welchen Zweck hatten seine eigenen Universitätsstudien bei den Jesuiten über Politik und Wirtschaft und vor allem über die Ethik im gesellschaftlichen Raum verfolgt? Hatten seine Ideale nur dazu gedient, den Blick auf die tägliche Wirklichkeit zu verstellen?
Regnete etwa das Geld der Chemie wie Mana vom Himmel? Flogen die Millionen wie ein warmer Schauer auf den Kanzler?
Warum jetzt diese plötzliche Umstimmung? Waren die Machenschaften im Kanzleramt entlarvt worden? Vielleicht war man längst hinter ihm her? Sorgte eine spezielle Intrigenschmiede dafür ihn als den Bösewicht zu entlarven? In dem Falle wäre die Warnung von Frau Hubert nichts anderes als eine hinterhältige Verschiebung, die vorgab, ihn zu schützen. Wahrscheinlich wollte sie ihn aber nur in Sicherheit wiegen, und das letzte Geld sichern.
Das Telefon summte. Da es nur für diesen einen Kontakt nach Berlin benötigt wurde, wusste er, wer es war.
Er erhielt die freundliche strikte Aufforderung, einen Umweg über Mailand zu nehmen. Alle notwendigen Leute seien informiert, er brauchte dort noch niemanden anzurufen. Dann war das Gespräch schon wieder beendet. Die letzten Worte waren eher eine Anordnung als nur ein Hinweis. Eine idiotische Robotertätigkeit hatte ihm H. B. über die Linie Frau Hubert und Schweiger aufgeladen. Bei dem Begriff ‚Roboter‘ dachte er ebenso schnell an seinen eigenen Zombie. ‚Zombie‘ hatte eine Langzeitwirkung, die sich im Laufe der Jahre verstärkte. Schon zerrte er an seiner Packung und angelte sich die ‚ Happy Hour ‘ hervor. Nach wenigen Sekunden verfiel das Flattern. ‚Zombie‘, sein fremdgesteuertes ‚Ich‘ wirkte. Auf nach Mailand. Mit oder ohne Koffer? Er rief über sein Handy in Berlin an, um sich Klarheit darüber zu verschaffen. Sein Telefon schwieg ihn an. Das konnte nur bedeuten, eine geheime Aktion lief im Kanzleramt ab. Eine Untersuchung, eine Fahndung, eine völlig andere Geschichte?
Bald war er wieder auf der Einfallstraße nach Vaduz. Noch Zeit vor dem Mittagstisch, einen Besuch bei „Treue & Geschäft“ abzustatten, mit einem geschärften Blick für Kidnapper. Der Juniorchef empfing ihn mit einem kalten Lächeln.
„Haben Sie einen Unfall gehabt? Das sind die Dinge, von denen wir sprachen.“
U nübertroffene Arroganz und geschäftstüchtiger Zynismus blinkten es bei Schütz. Er hätte den Kerl umbringen können. Sagte aber mit Traurigkeit in der Stimme: „Es ist jetzt 11.00 Uhr, bevor Sie zum Mittagstisch schließen, bin ich schon auf dem Weg nach Süden. Bis dahin muss alles erledigt sein. Diesen Koffer muss ich bei Ihnen parken.“ Er hasste es, im gewissen Sinn dem treuen Geschäftsmann recht geben zu müssen.
„Wir schließen zwar nicht über Mittag wie ein Tabakgeschäft, wir werden aber auch vor zwölf mit einer Vereinbarung fertig sein.“
Es trug sich alles das zu, was er für seine Person vermeiden wollte. Namens- und Adressangabe. Schlüsselübergabe mit Beglaubigung. Wieder hatte
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