Der Kofferträger (German Edition)
er Geld aus dem Koffer zu entnehmen, um die Depotgebühren für ein Jahr im Voraus zu begleichen. Dazu das Geld, das er für seine Italienreise benötigte. Er setzte eine Woche für seine Zusatzfahrt an. Überschlug Reise- und Hotelkosten, sonstige Ausgaben, Notfälle. Alles in allem nahm er widerwillig nochmals zwanzigtausend DM aus dem metallisch funkelnden Ungetüm. Man konnte sich so schnell daran gewöhnen. Dann war er endlich froh, das monströse Gepäckstück ablegen zu können.
Von Gerard Gils, dem Juniorchef, ließ er sich ein sehr gutes Konfektionshaus empfehlen. Der ‚Treue & Geschäft‘ Boss rief dort für ihn an, vereinbarte einen Termin, um dusselige Fragen zu vermeiden.
„Ich freue mich, dass Sie sich für unser Haus entschieden haben. Vergessen Sie nicht, die guten Dienste des Klubs in Anspruch zu nehmen. Beehren Sie uns auf Ihrer Rückreise wieder. Ich führe Sie dann sehr gerne gegenüber in den Klub ein. Dabei könnte ich gleichzeitig ein paar gute Kontakte für Sie knüpfen.“ Die Arroganz des Geldes hatte gesiegt.
Er gehörte bereits einem Klub an, allerdings einem anderen, dem da in Berlin.
Er reichte dem treuen Geschäftsmann die Hand. Ernüchtert trat er aus dem Spendenwachstumsgebäude.
Für seinen Anzug zahlte er das Doppelte der geplanten Summe. Mit dem Koffergeld neu eingekleidet, lief er aus dem Geschäft über die Straße. Dieser verdammte Anzug lag ihm an, wie eine mittelalterliche Rüstung, in der er bis zum Tod für seinen Fürsten kämpfen müsste. Seine Gedanken waren wirr, und unachtsam rannte er eine alte Frau mit einem Einkaufskorb um. Die Äpfel rollten über die Straße und in gebückter Haltung rannte Schütz hinter ihnen her und sammelte sie wieder zwischen den Autos auf. „Verzeihung, Verzeihung“, murmelte er und stopfte die schmutzigen und beschädigten Äpfel wieder in den Einkaufskorb. „Es ist allein meine Schuld, bitte verzeihen sie mir.“ Mit diesen Worten bot er der Frau als Schadensersatz einen Hundertmarkschein an.
Die Alte schaute ihn von oben herab an, als hätte er sie gerade beleidigt. „Behalten Sie den, junger Mann.“ Mit strengem Blick fixierte sie sein Äußeres. „Ich will ihn nicht. Es ist unanständig.“
Verblüfft blieb er stehen. Die Leute um ihn herum feixten, schauten sein Gesicht an, als hätte er gerade einen Coup in einer Bank gelandet. Schütz trat wie ein geschlagener Boxer den Rückzug an.
Der Weg nach Mailand war kürzer, als der nach Berlin. Knapp dreihundert Kilometer. Noch am selben Abend würde er in der nordit alienischen Metropole hoffentlich in einem weichen Bett ruhen können.
Über sein Smartphone linkte er sich in seinen Heimrechner ein. Er nannte sein Codewort und war wenige Sekunden später drin. Das Display im Auto zeigte ihm alle Meldungen an, die er per erhalten hatte. Bisher war nichts von Bedeutung geschehen, lächelte Schütz. Er sagte seinem Handy: „Ende“, das Gerät verabschiedete sich. Mit dem Navi klinkte er sich live in den Stadtplan von „Mailand“ ein. Jetzt hatte er das Straßenbild von Mailand auf seinem Display. Ein Nebenprogramm offerierte ihm alle Hotels und er konnte von seinem Steuer aus direkt buchen. Nachdem er sich wieder in seinem Homerechner eingeklinkt hatte, sprach er seine Erfahrungen der letzten beiden Tage auf den Chip.
Das Gras an den Straßenrändern glänzte in einer frischen Frühsommerfarbe, Blumen zeigten sich üppig auf den Wiesen. Die Sonne stand hoch und erwärmte das Land. In der Mittagsstunde verließ er die Autobahn, bog in einen Feldweg ein, hielt seinen Wagen an. Eine Weile saß er in der blühenden Wiese und rupfte eine Blume aus. Beinahe angestrengt betrachtete er die Blüte und warf sie anschließend fort, um gleich danach eine andere auszurupfen. Seine Gedanken stießen in eine schmerzliche Leere. Sein Weg wurde von Stunde zu Stunde einsamer. Sacht fiel sein Körper zur Seite und erholte sich in einem Halbdämmern.
An seinem Kellerfenster hatte er einmal beobachtet, wie sich eine kräftige Libelle in einem einfachen Spinnennetz verfangen hatte. Sie hatte keine Chance mehr gehabt, dem feinen Gespinst zu entkommen. Je mehr sie flatterte, desto mehr verfing sie sich. Nahebei hockte die fette Spinne und lauerte auf die Erschöpfung der Libelle.
Irgendwo über allem hockte auch hier im dicken Wanst mit gierig glotzenden Augen und gefräßigem Maul die Oberspinne, von denen die kleineren die Anweisung für die Verknüpfungen des Netzes erhielten. Der Plan für
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