Der Kofferträger (German Edition)
der Mafiosi ihn kontrollierten oder ob ihn gar irgendwelche Banditen ausrauben wollten. Die Gedanken jagten seinen Puls hoch, seine Hände wurden nass.
Er wollte gerade wieder zum Überholen des ersten Fahrzeugs ansetzen, als er darin die beiden Gestalten aus Mailand entdeckte. Es machte keinen Sinn, sich mit Gedanken zu quälen, wie sie ihn gefunden hatten. Die Fahrzeuge, offenbar schusssichere Mercedes, wie er sie aus dem Fahrzeugpark des Kanzlers kannte. Augenscheinlich waren sie sehr schwer und vielleicht nicht so schnell, wie sein sportlicher BMW. Der Mercedes setzte auf herkömmliches schweres Metall als Sicherheitsmassnahme. Die Münchener Automobilisten dagegen hatten längst die kugelsichere Folie eingebaut.
Dann geschah für ihn das Unglaubliche. Die Fahrzeuge vor und hinter ihm drängten ihn zur nächsten Ausfahrt hinaus. Bis auf wenige Zentimeter war der eine an ihn herangerückt, quetschte sich neben ihn und zwang ihn nach rechts auszuweichen. Er musste von der ersten Autobahnetage die steile Abfahrtsrampe hinunter rasen. Dort unten könnte sein Leben beendet sein, irgendwo in einem kleineren Gebüsch. Jürgens Herz raste hoch. Sein Puls sprang kurzzeitig auf 130, sein Blutdruck flog hoch. Er hatte noch keine Lust hier erbärmlich zu enden. Sein Verfolger hinter ihm hatte gerade die Rampe verlassen und schwenkte nach rechts ein. Schütz ließ die vierhundert PS seines Autos plötzlich aufheulen, riss sein Steuer nach links, schleuderte quer über die Kurve und jagte die nächste Rampe wieder hoch auf die schnelle Spur. Hinter ihm blieben einige Fahrzeuge erschreckt stehen und blockierten damit die Auffahrt. Im Rückspiegel sah er gerade noch, wie ein PKW quer zur Auffahrt stand. Das würde ihm genügend Zeit zum Verschwinden geben. Ein Geschenk des Himmels. Auf jeden Fall waren die beiden Mercedes nicht mehr zu sehen.
Am Nachmittag gelangte er nach Berlin. Sein erster Weg war nicht das Kanzleramt, sondern sein eigenes Heim. Gerade wollte er in sein Reich Nikolskoe einschwenken, als er die verräterischen Signale durch das Blattwerk der Bäume blitzen sah. Unwillkürlich fuhr er weiter und parkte seinen Wagen ein paar Hundert Meter weiter. Von dem Hügel der kleinen Kirche aus hatte man einen guten Überblick über das Gelände. Mindestens drei Polizeifahrzeuge blockierten direkt vor seinem Haus den Ein- und Ausgang. Den Widerschein ihrer rotierenden Einsatzlichter hatte er in den Blättern der Bäume aufblitzen sehen.
Von der ein wenig höher gelegenen Kirche nebenan verschaffte er sich einen ersten Überblick. Die Fahrer der Fahrzeuge standen mit ihren Kollegen um ihre Autos herum und unterhielten sich in einer lockeren Atmosphäre. Sie bildeten den normalen Begleitschutz für den Regierungschef. Also, keine Gefahr für ihn. Noch keine. Trotzdem ging er in weitem Bogen um das Haus herum bis zur Rückseite, die zum See hinwies. Was machte der Kanzler hier bei seiner Nichte in seiner eigenen Abwesenheit? Zumindest war die Begegnung ungewöhnlich. Schütz schlich um das Haus herum. Sollte er entdeckt werden, könnte er noch immer mit einem Lächeln sagen, er wollte die beiden erschrecken. Primitiv, aber bei verwandtschaftlichen Verhältnissen glaubwürdig. Durch einen hinteren Kellereingang betrat er das Haus, drückte sich an den Wänden entlang und stand an der verschlossenen Wohnzimmertür. Die herrschsüchtige, laute Stimme seines Herrn war deutlich zu vernehmen. Wie unvorsichtig sich der Kanzler manchmal gab, dachte er. Dann vernahm er nach einer Weile einige seltsame Worte, die ihn aufhorchen ließen.
„... nein, niemals. Der Jürgen würde niemals mit diesem Gepäck abhauen. Dafür ist er viel zu ehrlich. Im Gegenteil das war der Grund, warum ich ihn...“ Die letzten Worte konnte er wegen eines Geräusches von draußen nicht hören. Auch die Antworten von Anitas schwacher Stimme waren nicht zu hören. Dann sprach der Kanzler wieder.
Was Schütz jetzt vernahm , schockierte ihn. Er presste sein Ohr auf die Tür, um nicht ein einziges Wort zu versäumen. Vor allem aber merkte er sich Datum und Inhalt dessen, worum es ging.
Seine Frau Anita murmelte irgendeine Antwort, die er nicht verstehen konnte.
Deutlicher hörte er wieder die nachfolgenden Worte.
„Wenn du kein Vertrauen hast, solltest du die Sache schnell hinter dich …“
Durch ein Geräusch von außen brach sein Kontakt wieder ab. Auf leisen Sohlen schlich er sich nach draußen und gelangte sicher zu seinem Fahrzeug. In einem
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