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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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zusammengerollt.
    Links neben der Klapperschlange, wo der Spalt etwas tiefer war, erkannte Chee graubeige verfärbtes altes Segeltuch. Dort hatte jemand eine Satteltasche hineingeschoben. Wenn er das Risiko einging, dabei die Schlange zu reizen, ließ sie sich bestimmt herausangeln.
    Chee sah sich nach einem geeigneten Stock um und gab sich dann mit einem Ast zufrieden, den er von einem überhängenden Wacholder abbrach.
    »Hohzho, Hosteen Schlange«, sagte Chee. »Friede. Lebe in Harmonie mit allem, was dich umgibt.« Er steckte seinen Ast in den Felsspalt. »Nur keine Aufregung. Ich will dich nicht stören.«
    Er konnte die Tasche erreichen, ohne seine Hand in Reichweite der Schlange bringen zu müssen. Aber die Satteltasche steckte fest und ließ sich nicht bewegen.
    Die Schlange prüfte die Luft mit ihrer Zunge, witterte den Menschen in ihrer Nähe und rollte sich anders zusammen. Ihre Schwanzspitze wurde sichtbar. Sie begann zu klappern.
    »Hohzho«, sagte Chee beruhigend. Er zog Hand und Ast zurück und sah sich nach einem geeigneteren Werkzeug zur Bergung der Satteltasche um.
    Dabei fielen ihm die Schleifspuren auf.
    Sie waren ganz frisch. Links von ihm war etwas Großes und Schweres über den sandigen Boden und zwischen die Felsen gezerrt worden.
    Chee ging den Spuren nach. Er bog um die Ecke.
    Dort stand William Odell Redd. In der Hand hielt er einen großkalibrigen Revolver, mit dem er mehr oder weniger auf Chees Knie zielte. Und vor Redds Füßen lag die Leiche eines kleinen Mannes - auf dem Rücken, als habe Redd ihn an den Schultern gepackt, um ihn wegzuschleppen.
    »Ich wollte, Sie wären nicht hierher zurückgekommen«, sagte Redd.
    Ich auch! dachte Chee. Aber er fragte: »Was haben Sie hier zu suchen?«
    »Ich wollte ein paar Sachen holen, die mir gehören«, antwortete Redd. »Ich habe vermutet, daß Sie kommen würden. Ich wollte rechtzeitig vor Ihrem Eintreffen verschwinden.«
    »Ich nehme an, Sie haben einen Tip von Jean Jacobs gekriegt«, sagte Chee.
    »Eine großartige Frau«, stellte Redd fest. »Wirklich!«
    »Ganz mein Eindruck.«
    Redd blickte auf Tagert hinab. »Er hat sie wie ein Stück Dreck behandelt«, sagte er. »Er hat alle wie Dreck behandelt. Dieser Schweinehund!«
    »Haben Sie ihn deshalb erschossen?«
    »Nein«, antwortete Redd, ohne den Professor aus den Augen zu lassen. »Ich hätt's wahrscheinlich tun sollen. Schon viel früher.«
    Chee betrachtete den Revolver. Die Waffe schien etwa hundert Jahre alt zu sein. Vermutlich stammte sie aus dem Halfter des toten Banditen, der sich vielleicht als Butch Cassidy erweisen würde. Wichtig war jetzt nur, ob sie funktionieren würde oder nicht. Der Revolver sah alt und staubig aus. Aber nicht verrostet. Und sein Hammer war gespannt. Nachdem es möglich gewesen war, ihn zurückzuziehen, würde er auch wieder nach vorne schnellen. Kräftig genug, um eine Patrone zu zünden? Schon möglich. Waren die Patronen nach so vielen Jahren noch brauchbar? Das erschien zweifelhaft, aber in diesem trockenen Klima hielt sich fast alles.
    Taka Ji hatte hier oben einen Schuß gehört. Aus dem Revolver? War Professor Tagert damit erschossen worden? Chee fiel es schwer, an etwas anderes zu denken, als daran, was Redd wohl mit der Waffe vorhatte. Aber er wagte nicht, ihn danach zu fragen.
    Es hatte zu schneien begonnen. Kleine trockene Flocken schwebten heran, hingen in der Luft und lösten sich auf. Chee merkte, wie sein Verstand merkwürdig arbeitete. Er hatte herausbekommen, warum Oberst Ji erschossen worden war -auch wenn das im Augenblick nicht gerade die wichtigste Frage war. Janet und er hatten bei Redd im Zusammenhang mit dem Mordfall Nez darüber gesprochen, daß Jis Wagen in der Nähe des Tatorts gesehen worden sei. Auch Redd mußte ihn in dieser Nacht gesehen und angenommen haben, es gebe einen Zeugen für die Ermordung Tagerts. Sobald er die Identität dieses vermeintlichen Zeugen von ihnen erfahren hatte, mußte er nach Shiprock gefahren sein und Ji erschossen haben. Aber er hatte den Falschen ermordet. Andererseits gab es keinen Richtigen. Auch Taka Ji hatte den Mord nicht beobachtet.
    Dann erkannte Chee plötzlich, inwiefern ihm dieses Wissen nützlich sein konnte - wenn er die Sache geschickt anpackte. »Haben Sie in dieser Nacht den Jungen hier oben gesehen?« fragte er. »Den jungen, der die Felsen angemalt hat?«
    »Welchen Jungen?« Redd sah ihn überrascht an.
    »Einen Jungen von der Shiprock High School«, sagte Chee. »Er hat Ihren

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