Der Komet im Cocktailglas
Langem abgepfiffen, die Spieler und Fans haben das Stadion verlassen, und auch wir sollten langsam weiterziehen. Mittlerweile ist es Nacht geworden, und nachdem wir uns schon den ganzen Tag mit Astronomie beschäftigt haben, könnten wir auch mal einen Blick auf die Sterne am Himmel werfen. Verlassen wir also die Bar und treten hinaus ins Freie. Der Blick auf den Nachthimmel ist allerdings ziemlich enttäuschend. Der Himmel ist zwar wolkenfrei, Sterne können wir aber trotzdem so gut wie keine sehen. Hier, mitten in der Stadt, ist es einfach viel zu hell. All die Straßenlaternen, die beleuchteten Schaufenster, die großen Flutlichter, die Kirchen und andere Sehenswürdigkeiten beleuchten, machen den Himmel so hell, dass es fast unmöglich ist, dort oben irgendetwas zu erkennen. Egal, wohin wir blicken, wir sehen keine Sterne, nur einen „lichtverschmutzten“ Himmel.
Früher muss die Nacht ganz anders ausgesehen haben. Als es noch keinen elektrischen Strom und keine Straßenbeleuchtung gab, als die meisten Menschen schlafen gingen, wenn es dunkel, und aufstanden, wenn es hell wurde. Da war es nachts dunkel. Wirklich dunkel. Stockfinster. Das einzige Licht kam vom Mond und den Sternen. Der Anblick eines sternenübersäten Nachthimmels, der Anblick des weißen Bandes der Milchstraße, das sich über den Himmel zieht, war für die Menschen normal – während sie heute von den meisten Leuten noch nie in ihrem Leben gesehen wurde. Ein komplett dunkler Nachthimmel existiert in Mitteleuropa nicht mehr. Die Dunkelheit ist aus der zivilisierten Welt verschwunden, und die Astronomen haben sich in entlegene Wüsten und auf hohe Berggipfel zurückgezogen.
Der Verlust der Dunkelheit ist aber nicht nur ein Problem für die Astronomen. Viele nachtaktive Tiere leiden ebenfalls darunter. Die hellen künstlichen Lichter stören ihren Orientierungssinn. Die vielen Insekten, die man nachts um Straßenlaternen fliegen sieht, machen das nicht, weil ihnen das Licht so gut gefällt, sondern weil sie nicht wissen, wohin sie fliegen sollen. Eine einzige Laterne kann pro Nacht für den Tod von bis zu 150 Insekten verantwortlich sein. Allein in Deutschland können so in einer einzigen Nacht einige Milliarden Insekten sterben. Da sie ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems sind, bleibt das nicht ohne Auswirkungen. Auch Zugvögel werden durch die künstlichen Lichter gestört und viele andere Tiere, die sich normalerweise am Nachthimmel orientieren, zum Beispiel Meeresschildkröten. Auch wir Menschen leiden unter dem Mangel an Dunkelheit. Damit unser Körperfunktioniert, brauchen wir zum Beispiel das Hormon „Melatonin“. Das wird allerdings nur gebildet, wenn es dunkel ist. Wenn die Nächte immer heller werden, stört das die Produktion dieses Hormons, wir leiden schneller unter Stress und schlafen schlechter. Das tut unserem Immunsystem nicht gut und schädigt unsere Gesundheit. Es gibt auch medizinische Studien, die zeigen, dass Melatonin das Wachstum von Tumoren verhindert und bremst. Eine Störung der Melatoninproduktion könnte also auch Krebserkrankungen begünstigen. Mediziner aus Israel haben tatsächlich Hinweise darauf gefunden, dass Frauen, die nachts verstärkt Helligkeit ausgesetzt sind, eher an Brustkrebs erkranken. 39
Neben den gesundheitlichen Folgen ist der Mangel an Dunkelheit natürlich auch ein kultureller Verlust. Wer schon einmal das Glück hatte, eine klare Nacht in einer wirklich dunklen Gegend zu verbringen, der kann kaum anders, als von der Schönheit des Nachthimmels beeindruckt zu sein. Dort, wo man in der hellen Stadt gerade mal eine Handvoll Sterne sieht, sind es hier Tausende, die mit freiem Auge sichtbar sind. Wenn es wirklich dunkel ist, können wir die Milchstraße sehen. Sie zieht sich wie ein milchig-weißes Band über den Himmel und gehört zu den schönsten Anblicken, die die Nacht zu bieten hat. In Wahrheit besteht sie aus Hunderten Milliarden von einzelnen Sternen, den Sternen unserer Galaxie. Die Sonne existiert ja nicht isoliert im All, sondern bildet mit ein paar Hundert Milliarden anderer Sterne ein gewaltiges System. Sie befindet sich in den äußeren Bereichen dieser Galaxie, und wenn wir von der Erde aus in Richtung des galaktischen Zentrums blicken, sehen wir am Himmel das Band der Milchstraße. In einer dunklen Nacht können wir mit freiem Auge sogar noch andere Galaxien am Himmel sehen. Denn so wie die Sonne nicht allein im All ist, ist auch die Milchstraße nur eine von ein paar
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