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Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi

Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi

Titel: Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rene Paul Niemann
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Stirn war von drei steilen Falten zerteilt, die sie älter
aussehen ließen, als sie war. Ihr Haar stand wirr ab, ihre Augen flackerten
leicht fiebrig.
    Verdammter Mist, dachte
sie, als sie sich im Flurspiegel sah, nahm im Vorbeigehen einen bunten Schal
von der Garderobe, den sie sich rasch wie einen Turban um den Kopf wand.
    Bestimmt war es die
Baumbacher Gerti, die ihren eigenen Schwager in sich verliebt machen wollte.
Sie war völlig verrückt nach ihm. Die Wohnungstür besaß keinen Spion, und
Therese Langner öffnete ohne Argwohn.
    »Guten Abend, Therese.«
    Es war wie ein Schlag in
den Magen.
    »Mit dir hatte ich nicht
gerechnet …« Sie ärgerte sich, weil ihre Stimme zitterte. Wenn er persönlich
auftauchte, bedeutete das nichts Gutes.
    »Ich hatte Sehnsucht
nach dir. Wir haben uns lange nicht gesehen.« Er lächelte unverbindlich. »Willst
du mich nicht hereinbitten?«
    »Aber natürlich«, sagte
sie beflissen und trat zur Seite.
    Ohne zu fragen, ging er
ins Wohnzimmer und setzte sich auf das Sofa. Er kannte sich aus. Und er fragte
nie um Erlaubnis. Therese blieb stehen.
    »Einen Cognac? Oder lieber
einen Whiskey?«
    »Weder noch«, sagte er
kühl. »Ein paar Antworten, wenn ich bitten darf.«
    »Worum geht es denn?«,
fragte sie betont harmlos. »Ich habe auch einen ausgezeichneten Beaujolais. Ich
kann die Flasche gern öffnen.«
    Er winkte ab, mit einer
lässigen Bewegung, so als wollte er eine Fliege verscheuchen. »War das die
Birnbaum, die am letzten Samstagmittag bei dir war?«
    »Ja, das war sie.« Lügen
durchschaute er ohnehin sofort.
    »Und wann gedachtest du,
mir das zu sagen?«
    »Ich hätte es dich schon
noch wissen lassen.«
    »Vor sechs Tagen war sie
hier, und bis jetzt hast du nicht versucht, mich zu erreichen. Du fängst sie
vor der Kirche ab und redest auf sie ein. Du hast sie doch schon so weit, nicht
wahr?«
    »Ich habe versucht, sie
auszuhorchen, auf sie einzuwirken. Aber das ist nicht so einfach. Sie ist so
schrecklich dumm, so dickfellig …«
    »Du versuchst, mich zu
hintergehen, Therese.« Seine grauen Augen blickten trübe. »Ich weiß schon
lange, dass du nicht mehr loyal bist. Bis jetzt habe ich ein Auge zugedrückt,
im Andenken an alte Zeiten. Aber dass du wirklich versuchst, dir den Kometen
hinter meinem Rücken anzueignen, geht eine Spur zu weit.«
    »Ich schwöre dir, ich
habe niemals …«
    »Und das ist noch nicht
alles. Dazu kommt dein absolut stümperhaftes Vorgehen bei diesem Sperling. Dich
im vollbesetzten Gasthof zu ihm zu setzen, vor aller Augen!«
    »Woher weißt du
eigentlich immer so genau, was ich mache?«, fragte sie mit hasserfüllten Augen.
    Die Kälte, die er
ausstrahlte, war fast körperlich zu spüren. »Glaubst du wirklich, du bist die
Einzige in Palling? Wir sind überall. Und ich erfahre alles. Deine Lästereien,
deine Begehrlichkeiten, deine hochfahrende Art und der völlige Mangel an
Respekt gegenüber der Gruppe, dessen du dich seit geraumer Zeit befleißigst.«
    Sie hatte ihn schon
zuschlagen sehen, mit seinen sehnigen, schmalen Händen. Der dicke Ring mit dem
grünen Stein hinterließ hässliche Spuren. Was immer sie sagte, es würde nutzlos
sein. Sie musste weg. Raus aus der Wohnung, und zwar sofort. Ab ins Auto und
weg aus Palling, weg aus Bayern. Irgendwohin, wo er sie nicht fand. Nach
Berlin, nach Hamburg, nur weit weg von hier!
    »Gib dir keine Mühe«,
sagte er gelangweilt, als könnte er Gedanken lesen. »Igor steht unten vor der
Tür.«
    »Was willst du?«, stieß
sie angstvoll hervor.
    »Ich brauche keine
Leute, die mir in den Rücken fallen. Die versuchen, mich auszubooten, und mir
durch ihre Dummheit am Ende noch die Polizei auf die Fersen hetzen.«
    »Lass mich in Ruhe!«,
schrie sie und blickte sich gehetzt um.
    Er hatte sich erhoben,
mit einer Behändigkeit, die man ihm vor wenigen Augenblicken gar nicht
zugetraut hatte. Sie nahm die weiße Schale vom Tisch und schleuderte sie ihm
entgegen. Das Geschirr verfehlte seinen Kopf nur knapp und zerschellte an der
Wand. Die Scherben spritzten. Wie ein Blitz war er um den Tisch herum, folgte
ihr in den Flur, erwischte sie am Rockzipfel. Vielleicht hätte sie schreien
sollen. Vielleicht betteln und flehen. Aber sie war stumm vor Schreck, starrte
ihn aus aufgerissenen Augen an.
    »Bitte …«, würgte sie
hervor.
    Der Turban auf ihrem
Kopf hatte sich gelöst. Plötzlich hatte er den Schal in seinen Händen. Rasch
wie eine Schlange legte er ihn ihr um den Hals und zog mit aller Kraft zu.

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