Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi
Die
Muskeln seiner Oberarme spannten sich.
»Bitte …«, röchelte
Therese noch einmal. Dann sank sie zu Boden, mit weit geöffneten Augen, die nun
hervortraten wie bei einem Goldfisch.
Als sie sich nicht mehr
regte, ließ er den Schal los. Strich sich die Anzugärmel glatt, fuhr sich über
die Haare und sah wieder aus wie ein stiller Postbeamter oder ein ältlicher
Musiklehrer. Ohne alle Hast knipste er das Flurlicht aus und verließ die
Wohnung.
19
»Nun kommt ein Knaller,
Frau Kommissarin!« Wenn Bichler, der blasse Musterschüler, zu solchen Worten
griff, musste die Sache von einiger Bedeutung sein.
Helga Wintersruh mochte
Montage nicht, und der Traunsteiner Alltag nach einem Wochenende in Schwabing
mit alten Freunden versetzte sie in leichte Depressionen. Bichler, die
unermüdliche Wühlmaus, hatte hingegen etwas Nützliches getan und sich übers
Wochenende in einer Pension in Palling einquartiert – trotz der defätistischen
Bemerkungen seiner Chefin über Strebertum und Übereifer. Die Pallinger kannten
ihn inzwischen alle, aber Bichler, der nette Junge von nebenan, wirkte so
harmlos, dass niemand ihm mehr als einen soliden Grundverstand zutraute. An den
Abenden hatte er in den örtlichen Wirtschaften gespeist und sein Bier
getrunken. Er zeigte sich gesprächig, gab allerlei Anekdoten über angebliche
Fälle zum Besten, die er sich problemlos aus den Fingern sog, und hielt die
Ohren weit offen.
»Dann packen Sie mal
aus«, sagte die Kommissarin, die einen mittelschweren Kater mit sich
herumschleppte und selbst nur wenig Lust verspürte, sich mit den Einheimischen
rund um den Chiemsee allzu eng zu verbrüdern. Sie hatte gerade einen Kaffee der
Marke Extrastark gebraut, der sein bitteres Aroma wie eine Wolke verbreitete.
Es war gleich Mittag, und das Zeug musste sie ins Leben zurückholen. Sie goss
sich eine Tasse ein, während ihr Assistent beinahe platzte.
»Klatsch und Tratsch
sind nach wie vor unsere besten Informationsquellen!«, begann Bichler. Er hatte
den Kaffee dankend abgelehnt und goss sich stattdessen ein Tütchen
Ringelblumentee auf. »Ich habe noch mal alle Einzelheiten zu dem Abend, an dem
der Herr Sperling in der Gaststube saß, zusammengetragen und bin dabei auf ein
nicht unbedeutendes Detail gestoßen. Manchmal muss man, damit bei den Leuten
der Groschen fällt, einfach nur penetrant genug sein.«
»Was Ihnen ja nicht
schwerfallen dürfte«, bemerkte die Kommissarin, die Nase in der Kaffeetasse.
Bichler überhörte solche
Seitenhiebe geflissentlich. Kommissarin Wintersruh war eine frustrierte Person,
die man nur bedauern konnte.
»Ich habe endlich die
Franzi erwischt!«
»Franzi? Wer soll das
sein? Ihre neue Freundin?«
»Die Franziska
Michelbauer. Es hat mich viel Feingefühl gekostet, bis die Wirtin damit
herausrückte, dass an dem betreffenden Abend noch eine weitere Aushilfe
gearbeitet hat, die möglicherweise auch eine Aussage machen könnte.«
»Und warum zum Teufel
hat die Wirtin das nicht früher gesagt?«, regte Helga Wintersruh sich auf.
Bichler zuckte die
Schultern. »Wegen der Steuer. Die Michelbauer Franzi arbeitet halt manchmal so,
ohne Steuerkarte und ohne Anmeldung, und die Wirtin dachte, sie würde Ärger
bekommen.«
»Mit was für einem
Unsinn wir uns herumschlagen müssen! Und wegen was für selbstsüchtigen Regungen
eine Mordermittlung dann ins Stocken gerät, da graust es mir!«
»Darum ist eben
Diplomatie gefragt«, erwiderte Bichler belehrend. »Die Franzi hat also an jenem
Abend ausgeholfen. Sie wohnt in Truchtlaching. Am Samstagabend habe ich sie
aufgesucht, und das Gespräch war sehr aufschlussreich.«
»Lassen Sie sich die
Würmer doch nicht so aus der Nase ziehen, Bichler! Was hat die Franzi gesagt?«
»Die Gaststube war sehr
voll an dem Abend, weil viele Leute eingekehrt waren, um das Fußballspiel zu
sehen. Der Herr Sperling saß da bei seinem Schweinsbraten mit Knödeln, als sich
eine Dame zu ihm setzte, mit einem Glas Wein in der Hand. Sie suchte
offensichtlich das Gespräch.«
Helga Wintersruh spitzte
die Ohren. »Was für eine Dame war das?«
»Sie heißt Therese
Langner«, sagte Bichler mit einem Tremolo in der Stimme, denn die Spur war gut.
»Seit drei Jahren in Palling wohnhaft. Sie suchte wohl Anschluss. Oder vielleicht
glaubte sie, der Herr Sperling suche Anschluss. Die Frau Michelbauer meinte,
die Langner, das sei so eine, die lasse nichts anbrennen. Der Sperling ist dann
aber aufgestanden und gegangen, sobald sein Bierglas leer
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