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Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi

Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi

Titel: Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rene Paul Niemann
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wirklich ins Herz. Ich kannte seine Eltern
und wusste, dass sie sich die Augen nach ihm ausweinten. Als ich ihn darauf
ansprach, lächelte er nur ganz sonderbar und meinte, man müsse alte Bindungen
lösen, um neue aufbauen zu können. Zuerst verstand ich nicht, was er meinte. Er
wollte sich dann auch ganz schnell verabschieden. Eine Telefonnummer könne er
mir nicht geben, sagte er. Zum Schluss drückte er mir eines von seinen
Blättchen in die Hand. Den restlichen Stapel verstaute er in seiner
Umhängetasche und verschwand.«
    »Und was war das nun für
ein Blättchen?«
    »Die Werbebroschüre
einer Glaubensgemeinschaft. ›Kinder der Zukunft‹. Als Symbol verwendeten sie
ein Sonnenrad.«
    »Sonnenrad … Was soll
ich mir darunter nun vorstellen?«
    »So eine stilisierte
Sonne eben, mit Radialen, die wie die Speichen eines Rades aussehen.«
    Maria fröstelte es
plötzlich. »Könnten Sie mir so ein Ding wohl aufmalen?«
    Gartelmann zog einen
Kuli aus der Tasche und malte auf seinen Notizblock einen Kreis, der von sechs
Linien geteilt wurde. Ein Rad mit Speichen.
    »Heiliger Strohsack!«,
entfuhr es Maria, die sich mit Flüchen sonst zurückhielt. »So ein Ding habe ich
gesehen! Und zwar bei der Therese Langner. Sie trägt es als Anhänger um den
Hals.«
    In Gartelmanns Gesicht
zuckte es, als hätte er einen unerwarteten Schlag erhalten.
    »Ich bin mir völlig
sicher!«, bekräftigte Maria. »Ich fand es ganz hübsch. Rotgold, glaube ich. Das
Symbol erinnerte mich an die Sonnenwendfeiern.«
    »Dann gehört Therese
Langner also wirklich dazu!«
    »Zu den ›Kindern der
Zukunft‹?«
    »Zu dieser ganzen
Organisation, von der die ›Kinder der Zukunft‹ nur einen Ableger bilden.«
    »Und was für eine
Glaubensgemeinschaft ist das?«
    Gartelmann stieß ein
hartes Lachen aus. »Glaubensgemeinschaft! Das klingt viel zu seriös. Obskure
Sekte, das wäre der bessere Ausdruck. Im Grunde geht es dabei um ganz andere
Dinge als Spiritualität und religiöse Erfahrungen. Sie bezeichnen sich selbst
als Heiden. Ihre Wurzeln führen sie auf die Kelten zurück.«
    »Heiden … Das ist auch
so ein dehnbarer Begriff. Meinen Sie Naturanbeter, die magische Rituale feiern?
Barbaren, die das Christentum bekämpfen wollen?«
    »Das lässt sich mit drei
Worten nicht erklären. Wir sind hier mitten in Europa, im Zentrum der
westlichen Welt, wo das Christentum nicht nur eine religiöse Überzeugung,
sondern eine gesellschaftliche Tradition ist. Es hat über Jahrhunderte hinweg
das soziale Gefüge geprägt und wirkt wie eine alles umgreifende Klammer. Oder
eine Fessel, wenn ich ketzerisch sein möchte. Das sogenannte Neuheidentum kann
teilweise als Reaktion auf diese strengen Altvätersitten gesehen werden. Dabei
geht es um die Besinnung aufs Ursprüngliche, um Naturverbundenheit und
persönliche Erleuchtung. Man orientiert sich an germanischen, keltischen oder
antiken religiösen Systemen, oft vermischt mit außereuropäischen Glaubensvorstellungen
wie beispielsweise dem Animismus.«
    Maria zuckte die
Achseln. »Habe ich ja gesagt. Naturanbeter. Da gibt es dann heilige Orte und
Kraftfelder, jeder Stein und jeder Baum ist beseelt, und überall hausen Götter
und Geister.«
    »Zumindest haben Sie
eine ungefähre Ahnung, Frau Birnbaum.« Gartelmann trank von seinem dritten
Glas. »Jeder sucht doch ein bisschen Spiritualität. Eine Möglichkeit der
Selbstverwirklichung oder Selbstinszenierung in einer kalten Welt, wo der
wirtschaftlich und sozial Schwache ebenso wie der Andersdenkende, der sich mit
den bürgerlichen Konventionen nicht arrangieren kann, kaum akzeptiert wird. Die
Leute, von denen wir reden, versuchen, die keltische Religion wieder aufleben
zu lassen, verquickt mit einer nach meiner Meinung sehr gefährlichen elitären
Grundhaltung, zumindest in der Führungsriege des Vereins.«
    Maria schaute einen
Moment in den Himmel, wo eine kleine Silberwolke in der Form eines Pilzes
vorbeizog. »Das klingt alles sehr absonderlich. Wie soll das funktionieren?
Soweit ich weiß, sind die Erkenntnisse über die Mythologie der Kelten aber doch
äußerst bruchstückhaft?«
    »Man könnte sogar sagen,
die keltische Mythologie ist verschollen«, verbesserte Gartelmann. »Die Kelten
pflegten die gesellschaftlichen und religiösen Inhalte ihrer Kultur nicht
schriftlich festzuhalten. Man könnte sie geradezu als schriftfeindlich
bezeichnen. Sie zogen die mündliche Tradition vor. Was wir über ihren Glauben
wissen, ergibt sich aus archäologischen

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