Der Komet von Palling - Oberbayern-Krimi
Gedächtnis, und zwar meist in positiver Weise. Zwar gab es auch dort
Wurstbuden und Bierausschank, dazu allerdings pseudokeltische Folklore statt
bayerischer Klänge, Tänze zu Schalmeien und Dudelsack und dazwischen buntes
Treiben, ähnlich wie diese Mittelaltermärkte, nur eben auf keltisch getrimmt.
Das alles in einem eher kleinen Rahmen, familienfreundlich und gemütlich, keine
Gelage, keine Prügeleien. Nachts wurden zur allgemeinen Gaudi große Feuerräder
abgebrannt, auf die Strohpuppen gebunden waren. Auch das ist nicht so
ungewöhnlich, niemand hat sich was dabei gedacht, und die Tatsache, dass der
Verein nebenbei Flugblätter und selbst gedruckte Heftchen verteilte, wurde kaum
wahrgenommen.«
»Haben Sie zufällig so
ein Flugblatt auftreiben können?«
»Habe ich.« Bichler
wühlte in seiner Aktentasche.
Das Flugblatt bestand
aus einer gefalteten Doppelseite im DIN- A 5-Format. Als Logo trug es ein schwarzes
Rad in einem Kreis und beschränkte sich im Grunde darauf, die Programmpunkte
der Festlichkeit aufzuzählen. Ganz unten auf der Seite befanden sich Name und Privatanschrift
des grauen Hermann, wobei seine Privatanschrift in Amerang sich mit der
damaligen offiziellen Anschrift des Heimatvereins deckte.
»Auf den ersten Blick
ganz harmlos.«
»Ja, auf den ersten
Blick«, sagte Bichler vieldeutig. »Auf den zweiten Blick scheint das
Vereinsleben jedoch seine Tücken gehabt zu haben. Mehrere ordentliche
Mitglieder des Vereins sind spurlos verschwunden, unbekannt verzogen oder ganz
plötzlich verstorben. Zum Beispiel ein gewisser Hubert Grandel aus Freutsmoos.
Er hat damals, kurz bevor Hermann Graue sein Leben aushauchte, Selbstmord
begangen. In diesem Fall scheint es allerdings ein echter Selbstmord gewesen zu
sein. Zumindest hat es vonseiten der Kollegen keine anderen Erkenntnisse
gegeben.«
»Weiß man, warum er sich
umgebracht hat?«
Bichler schüttelte den
Kopf. »Nicht genau. Er war einer derjenigen, die den Verein angezeigt hatten.
Wegen Nötigung und Erpressung.«
»Und da hat man nicht
weiter untersucht? Was für eine verdammte Nachlässigkeit!«, brauste die
Kommissarin auf.
»Acht Tage später hat
dann der graue Hermann das Zeitliche gesegnet, oder zumindest eine Person, die
unter seinem Namen begraben wurde. In Seeon gehörten der Softwareentwickler
Heinz Erdmann und seine Frau Julia dem Verein an. Sie sind wenige Wochen nach
Graues Ableben fortgezogen, mitsamt ihren drei Kindern. Nach München, heißt es,
aber Genaues weiß man nicht. Niemand hat je wieder etwas von ihnen gehört.«
»Frag sofort in München
beim Einwohnermeldeamt nach, ob die Familie Erdmann dort aufgetaucht ist. Nicht
dass am Ende eine ganze Familie vom Erdboden verschwunden ist, und niemanden
hat es interessiert!«
Bichler machte sich eine
Notiz. »Ferner gab es einen Julius Zarm, polnischer Staatsbürger«, fuhr er
fort. »Ein Feinmechaniker, der in Traunreut gemeldet war und sich
zwischenzeitlich als Erntehelfer verdingte. Als er in Rosenheim endlich eine
gute Stelle fand, verschwand er seltsamerweise nach seinem dritten Arbeitstag.
Auch in seiner Wohnung wurde er nie wieder gesehen.«
»Vielleicht ein
Mietnomade?«
»Wohl kaum. Er hat all
seinen persönlichen Besitz zurückgelassen.«
»Und er war ein
eingeschriebenes Mitglied im Verein Sonnenrad?«
»Ja, seit einem Jahr. Er
hatte keine Familie in Deutschland. Vielleicht suchte er Anschluss,
Geselligkeit.«
»Und er ist nie wieder
aufgetaucht?«
»Nein.«
»Merkwürdig. Vielleicht
ist er nach Polen zurückgegangen?«
»Nachdem er endlich
richtige Arbeit gefunden hatte? Sehr unwahrscheinlich. Ferner gibt es noch ein
weiteres Detail, das mit dem Treiben des Vereins zusammenhängen könnte: In den
Wäldern des Pallinger Berges sind noch heute Hochäcker zu erkennen, wellige
Mulden und Wälle, die auf die echten Kelten zurückgehen dürften. Auf den
Lichtungen dort haben im Laufe der letzten Jahre mehrmals kleinere Feuer
gebrannt, immer nachts und weithin sichtbar. Niemand weiß, wer für diese Feuer
verantwortlich war, denn eigentlich ist es natürlich verboten, im Wald zu
zündeln. Am nächsten Tag fand man immer nur die kalten Feuerstellen.«
»Auch noch in jüngerer
Zeit?«
Bichler nickte. »Zum
letzten Mal angeblich im Juni. Ungefähr zur Sonnenwende. Einmal fand ein
Landwirt an so einer Feuerstelle einen Hühnerkadaver. Ohne Kopf und
ausgeblutet. Er dachte, das wäre wohl ein Fuchs gewesen oder vielleicht der
Hühnerhabicht. Obwohl Fuchs und Habicht
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