Der Komet
hinzufügen, dass die Befreiung vom Joch des Kolonialismus nicht gratis war. Es gab immense Kosten, nicht nur finanzielle, auch menschliche. Bleiben wir beim indischen Subkontinent: Die Teilung des britischen Raj im August 1947 führte dazu, dass 20 Millionen Menschen deportiert, vertrieben, umgesiedelt wurden (Hindus und Sikhs aus Pakistan, Muslime aus Indien); Hunderttausende kamen dabei um, manche sprechen sogar von einer Million Menschen, die im Getümmel ermordet wurden. 1971 führte dann Ostpakistan – das heutige Bangladesch – seinen Befreiungskrieg gegen Westpakistan; die Truppen von Westpakistan reagierten mit einem genozidalen Gemetzel. Auch heute findet man noch Massengräber aus jener Zeit; die Opferzahlen schwanken stark, manche Quellen sprechen von drei Millionen.
Rudyard Kipling hat sein berühmtes (oder berüchtigtes) Gedicht »Die Bürde des weißen Mannes« ursprünglich für das Diamantjubiläum der Krönung von Königin Victoria geschrieben. Manche betrachten es als Hymne auf den europäischen Rassismus, andere weisen darauf hin, dass Kiplings Versen eine tragische Weltsicht zugrunde liegt. Der Dichter sagt, es sei die historische Mission der »Weißen« (er meint damit vor allem die Briten und Amerikaner), ihre Kolonialvölker auf eine höhere Stufe der Zivilisation zu heben – aber sie sollten nicht den Fehler begehen, dafür Dankbarkeit zu erwarten: es sei das Schicksal des überlegenen Wohltäters, dass ihm Hass entgegenschlägt. Und am Ende, schreibt Kipling, würden die Anstrengungen der Kolonialherren sich ohnehin als vergeblich erweisen: »Take up the White Man’s Burden – / The savage wars of peace – / Fill full the mouth of Famine / And bid the sickness cease; / And when your goal is nearest / The end for others sought / Watch Sloth and heathen Folly / Bring all your hopes to nought.« Wie auch immer man dieses Gedicht bewerten mag, es feiert jedenfalls nicht das Recht des Stärkeren. Aus der Überlegenheit der »Weißen« leitet Rudyard Kipling eine moralische Verantwortung ab, nicht die Pflicht zur Mitleidlosigkeit.
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… die Monarchie unterhielt bekanntlich keine Kolonien. Hier irrt Dudu Gottlieb. Vom 7. September 1901 an gehörten der Donaumonarchie 0,61 Quadratkilometer in der nordchinesischen Stadt Tientsin. Es gab dort ein österreichisch-ungarisches Konsulat, eine Schule, ein Spital und eine kleine Militärgarnison, auch ein Gefängnis. Bis heute kann man in Tientsin viele Bauten bewundern, die eindeutig österreichischen Ursprungs sind.
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Bella gerant alii, tu, felix Austria, nube! Mögen andere Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate.
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Zwei Jahre später: Thronbesteigung. Das Attentat von Sarajewo sollte die Österreichisch-Ungarische Monarchie zu einer Überreaktion provozieren. Dies gelang; es gelang sogar über die Maßen gut. Der Attentäter gehörten einem Geheimbund an, der »Schwarzen Hand«. Jener Geheimbund trat für ein Großserbien ein, also für die Vereinigung des unabhängigen Königreichs Serbien mit Bosnien und Herzegowina, das unter österreichisch-ungarischer Herrschaft stand. Nach dem Attentat stellte Österreich-Ungarn den Serben ein (unerfüllbares) Ultimatum, dann erklärte es ihm den Krieg. Dies war eher eine diplomatische Formalität; daraus hätte noch nicht unbedingt ein Schießkrieg werden müssen. Aber Russland stellte sich hinter Serbien, und im August 1914 erklärte das Deutsche Kaiserreich wiederum Russland den Krieg. Auch daraus hätte noch keine Katastrophe erwachsen müssen. Aber dann mobilisierten die Deutschen ihre Truppen, dann mobilisierten Frankreich und Großbritannien, die mit Russland verbündet waren, und mit einem Mal wurde ganz ernsthaft und undiplomatisch geschossen. Es war, als hätte jemand einen Stein aus einem weit verwinkelten Gebäude gezogen; im Grunde ging es ihm nur um diesen einen Stein, doch plötzlich krachte vor seinen Augen das ganze schöne Gebäude zusammen – erst der Ostflügel, dann der Westflügel, am Schluss war da nichts mehr als eine graue Staubwolke.
Gavrilo Princip, der dumme nationalistische Student, der den Abzug durchdrückte und damit versehentlich ein Jahrhundert ins Unglück stürzte, war zu jung, als dass man ihn hätte zum Tode verurteilen können. Er wurde an einem Ort inhaftiert, der danach sehr berühmt werden sollte. Sein Name: Theresienstadt. Die Kleine Festung diente der Donaumonarchie als Gefängnis für
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