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Der Komet

Der Komet

Titel: Der Komet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Stein
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Nasenspitze dem Weltenraum entgegen zeigte. Dann gab er Schub. Der Krach war ungeheuerlich, unbeschreiblich; er wäre unerträglich gewesen, wenn der Mondflieger nicht binnen Kurzem die Schallgrenze durchbrochen hätte, sodass der Lärm, der das gesamte Himmelsrund ausfüllte, hinter ihnen zurückblieb. Dann hatten sie auch schon die Erdatmosphäre durchstoßen und tauchten in das große samtschwarze Nichts ein, das sich so unverstellbar zwischen den Himmelskörpern erstreckt. Hinter den Luken saßen die Sterne kalt und ohne Funkeln. Die Passagiere wurden von einer furchtbaren Urgewalt in ihre Sitze gepresst. Zum Glück zündete derFlugkapitän die Raketentriebwerke aber nicht gemeinsam, sondern hübsch ordentlich nacheinander, sodass der Mondflieger erst allmählich jene zweite kosmische Geschwindigkeit von elf Sekundenkilometern erlangte, die ihn auf einer Parabelbahn direkt zum Erdtrabanten führen sollte.
    Vom Rest der Reise gibt es wenig zu berichten. Dudu Gottlieb döste weiter; er schmökerte ein wenig in dem reißerischen Buch, das er am Flughafen gekauft hatte, und fand es unterhaltsam. Er verrichtete im Sitzen sein Nachmittags- und Abendgebet, weil den Passagieren in der Schwerelosigkeit streng verboten war, ohne Not ihre Anschnallgürtel zu lösen und aufzustehen. (Beinahe hätte er beim Beten, weil er den Oberkörper allzu ruckartig hin- und herbewegte, seine Samtkappe verloren, die er mit einer extragroßen Haarspange an einer grauen Strähne verklammert hatte; im letzten Augenblick bekam er das schwarze Käppchen zu fassen und machte es wieder fest, ehe es herrenlos-langsam durch die Kabine schweben konnte.) Er erleichterte sich auf einer Toilette, die im Grunde genommen – darüber dachte Dudu besser nicht allzu detailreich nach – wie ein Staubsauger funktionierte; hinterher hangelte er sich an einem Seil, das an der Decke aufgespannt war, wieder zu seinem Sitz zurück. Er schluckte etwas koschere Astronautennahrung aus einer Tube. Schließlich nahm er dankbar den Schlummertrunk entgegen, den eine Mondfliegerassistentin ihm lächelnd reichte: Es war noch kein Mittel gegen den Brechreiz gefunden worden, der jeden Menschen in der Schwerelosigkeit früher oder später unweigerlich befiel (schuld daran waren die Tasthärchen im Mittelohr, die dem Gehirn komplette Orientierungslosigkeit, ergo Schwindelgefühle meldeten), und so war es das Beste, die Reise zumMond einfach zu verschlafen. Dudu schnarchte deshalb mit halb offenem Mund, während das Raumflugzeug durch den Weltraum sauste – beinahe dreimal so schnell wie eine Gewehrkugel und vollkommen lautlos.
    Er verpasste die kleine Jause
Hinweis
, mit der die anderen Passagiere aus ihrem künstlichen Schlummer aufgeweckt wurden: Dudu erwachte erst wieder, als der Mondflieger sanft – mittels Düsen, die es ihm erlaubten, in der Waagrechten zu manövrieren – auf dem Mondflughafen aufsetzte.
    Der Mondflieger parkte so, dass er sein Hinterteil einer abgeflachten Milchglaskuppel zuwandte, die sich riesenhaft aus dem Mondsand erhob. Eingefasst war jene Kuppel von einem gewaltigen Oktaeder aus Metall; an jeder Seite des Oktaeders war eine Kunststoffkonstruktion angebracht, die zu einer Art festem Schlauch ausgefahren werden konnte. Erst wenn der Schlauch ohne Lücke mit dem Ausstieg des Mondfliegers verbunden und unter Druck gesetzt war, konnte die Tür völlig gefahrlos geöffnet werden; und nun wanderten die Passagiere des Mondfliegers unter die große Milchglaskuppel hinüber, um dort ihre Ankunftsformalitäten zu erledigen. Beinahe wäre Dudu Gottlieb, als er sich von seinem Sitz erhob und die Glieder streckte, hart mit dem Kopf gegen die Decke der Flugkabine gestoßen; dabei hatte man ihn wie die anderen Passagiere mit Nachdruck vor hastigen Bewegungen gewarnt.
    Einen Vorteil hatte der Gewichtsverlust immerhin: Auch seine Koffer – ein dienstbarer Geist händigte sie ihm nach dem Aussteigen aus – waren plötzlich ganz leicht geworden. Die Ankunftshalle unter der Milchglaskuppel wurde vom Sonnenlicht auf der Mondoberfläche so hell erleuchtet, als sei dies ein irdischer Tag. Dudu reihte sich in die Schlange derjenigen ein, die keine Untertanen desDeutschen Reiches waren. »Gemessen schreiten – nicht hüpfen!«, mahnten viele Schilder in Fraktur. Es wäre wohl wirklich fatal gewesen, dem Übermut nachzugeben und sich mit den Füßen vom Boden abzustoßen: Ein lustiger Springinsfeld, der sich das getraut hätte, wäre vielleicht eine Minute lang

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