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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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Erst als sie sich wieder ihrem Gespräch widmen, redet er weiter, nun deutlich leiser, doch immer noch voller Wut. “Hast du irgendeine Vorstellung davon, wie schrecklich es da zugeht? Und wie schwierig es war, dich überhaupt erst rauszuholen?”
    “Es ist unmöglich”, stimmt Alek ihm zu. Niedergeschlagen sinke ich auf meinem Platz zusammen.
    “Und wenn sich ihr Zustand bessert?”, hake ich nach.
    “Wenn es ihr wieder besser geht, werden wir tun, was wir können. Das ist das einzige Versprechen, das ich dir geben kann. Im Ghetto herrschen verheerende Verhältnisse, und es wird von Tag zu Tag schlimmer. Darum ist unsere Arbeit so extrem wichtig, und darum musst du weiterhin tun, worum wir dich bitten. Nur so kann all unseren Familien geholfen werden. Verstehst du das?” Ich ziehe meine Hand zurück und schweige. “Nächste Woche um die gleiche Zeit?”
    Ich nicke nur und stehe auf. Er hat kein Wort über Jakub gesagt, und dabei würde ich so gern wissen, ob er in Sicherheit ist und ob es irgendeine Nachricht von ihm gibt. Doch ich sehe den beiden an, dass sie nichts weiter sagen werden. Das Gespräch ist beendet, ich kann gehen. “Ja”, antworte ich schließlich.
    “Gut.” Alek erhebt sich und bleibt stehen, bis ich gegangen bin.
    Als ich die gegenüberliegende Seite des Marktplatzes erreiche, kann ich meine Tränen nicht länger zurückhalten. Ich denke an Mama und sehe wieder vor mir, wie sie und mein Vater in der Nacht schlafend im Bett lagen, als ich aus dem Ghetto entkam. Ich hätte sie niemals verlassen dürfen. Jetzt ist meine Mutter krank, und meine Eltern könnten jede Minute deportiert werden. Ich kann nichts für sie tun, und der Widerstand will ihnen nicht helfen. Welchen Sinn haben diese Spionagespiele, wenn wir nicht einmal unseren eigenen Familien helfen können? Zum ersten Mal zweifle ich an denen, in die ich so großes Vertrauen gesetzt habe: Alek, Krysia und sogar Jakub.
    Einen Moment lang denke ich an den Kommandanten, stelle mir seine Augen vor und die nette Art, wie er mich ansieht. Vielleicht kann er mir helfen … Das ist ja lächerlich, ermahne ich mich. Dieser Mann ist ein Nazi. Wenn er ahnt, dass ich auch nur einen Tropfen jüdisches Blut in meinen Adern habe, dann wird sich seine Zuneigung in Abscheu verwandeln. Im nächsten Augenblick werde ich tot sein, genauso wie meine ganze Familie und jeder, der mir geholfen hat. Alle Menschen, die ich liebe.
    Mit dem Handrücken wische ich meine Tränen weg und schäme mich, dass ich auch nur eine Sekunde lang vergessen habe, wer der Kommandant ist.
    Durch die Gartenpforte stürme ich auf Krysias Grundstück. Sie ist mit Łukasz dabei, Unkraut zu jäten. Beim Blick in meine geröteten Augen legt sie ihren kleinen Spaten zur Seite, nimmt den Jungen auf den Arm und führt mich ins Haus. “Was ist los?”, fragt sie, als sie die Tür hinter mir schließt. Während wir nach oben gehen, erzähle ich ihr von meiner Unterhaltung mit Alek und von der Erkrankung meiner Mutter. “Oh, du Ärmste”, sagt sie und schließt mich in ihre Arme, um mich sanft zu wiegen. Łukasz ist zwischen uns eingezwängt und schaut fragend hin und her.
    “Alek sagt, sie können nichts tun”, füge ich hinzu.
    “Ich bin mir sicher, dass er helfen würde, wenn es nur möglich wäre”, antwortet sie ruhig. So wie Marta vertraut auch Krysia bedingungslos den Mitgliedern des Widerstands und ihren Entscheidungen. Sie bringt mich zum Sofa. “Du musst es einmal von seiner Seite aus betrachten. Für den Widerstand gestalten sich die Dinge sehr schwierig, und Alek und die anderen müssen das Wohl von tausenden Menschen abwägen. Sie können nicht alles aufs Spiel setzen, um eine einzelne Person zu retten.”
    Ich denke an Martas Mutter. Marta ist schon viel länger für den Widerstand tätig, aber als ihre Mutter krank wurde, hat man ihr nicht geholfen. “Ich hätte sie nie verlassen sollen”, schluchze ich.
    “Ist das dein Ernst?” Krysia hebt mein Kinn an. “Emma, hör mir zu. Das ist nicht deine Schuld. Du konntest nicht verhindern, dass deine Mutter krank wird. Wärst du dort gewesen, hättest du dich vielleicht auch noch angesteckt.” Ich erwidere nichts, und sie fügt hinzu: “Ich werde sehen, was ich tun kann.” Überrascht sehe ich sie an. Was sie tun kann? Wenn Alek mit seinen Kontakten, mit seinen Verbindungen ins Ghetto meinen Eltern nicht helfen kann, was will dann Krysia ausrichten?
    Einige Tage später kommt sie abends zu mir, als ich Łukasz bade,

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