Der Kommissar und das Schweigen - Roman
Tisch.
»Jellinek!«, stöhnte er. »Wenn ich diesen verfluchten Jesus hier hätte, würde ich ihm den ganzen Hintern voll Blei pumpen!«
»Ich finde, du solltest an der nächsten Pressekonferenz teilnehmen und das näher ausführen«, sagte Reinhart.
»Hm«, sagte Kluuge. »Vielleicht sollten wir weitermachen. Oder haben Tolltse und Lauremaa noch etwas?«
»Nein«, sagte Lauremaa. »Nur dass wir glauben, wir haben Hauptkommissar Van Veeteren in einem Restaurant gesehen.
. . als wir in Stamberg waren, um mit den Mädchen zu reden.«
»Na, so was«, sagte Suijderbeck. »Habt ihr auch gesehen, was er gegessen hat?«
Er bekam keine Antwort, also zündete er sich lieber eine Zigarette an.
»Was die Verletzungen am Körper und so betrifft«, fing Kluuge wieder an, »so sind wir die ja bereits durchgegangen. Etwas Neues ist nicht hinzugekommen. Die Vorgehensweise ist im Großen und Ganzen in beiden Fällen die gleiche gewesen. . . ja, es gibt wohl niemanden, der glaubt, dass wir es hier mit zwei verschiedenen Tätern zu tun haben?«
»Niemanden«, bestätigte Servinus.
»Dann sollten wir uns jetzt mit diesem Sonntagabend befassen«, schlug Kluuge vor. »Hier haben wir ja jedenfalls so das eine und andere. Wer von euch ...?«
Er ließ seinen Blick von Reinhart zu Jung wandern.
»Jung kann das übernehmen«, erklärte Reinhart. »Sonst schläft er noch ein.«
»Vielen Dank«, sagte Jung. »Ja, wenn wir also meine und Reinharts Ergebnisse zusammennehmen, so können wir vielleicht ein paar Schlussfolgerungen ziehen. Es scheint tatsächlich so, als ob Oscar Jellinek bereits sehr früh am Sonntagabend aus Waldingen verschwunden ist. Wenn die Angaben stimmen – die wir gestern von dem Mädchen Moulder und Ulriche Fischer bekommen haben – ja, dann ist es am wahrscheinlichsten, dass er das Ferienlager kurz vor zehn Uhr verlassen hat. Er hat mit den Mädchen noch eine Weile nach dem Abendgebet gesprochen, und anschließend hat er sich wahrscheinlich zu dem Badefelsen aufgemacht ... wo Belle Moulder Clarissa Heerenmacht vier Stunden früher zurückgelassen hat. Danach ... ja, danach gibt es niemanden, der ihn noch gesehen hat.«
»Darin ist wohl eine gute Portion Vermutungen enthalten?«, sagte Servinus und schaute zweifelnd drein.
»Natürlich«, sagte Reinhart, »aber normalerweise vermuten
wir ganz richtig. Das hängt natürlich davon ab, wie wir den Wahrheitsgehalt von Frau Fischers kleinem Auftritt beurteilen, aber wenn wir das mit dem vergleichen, was der Hauptkommissar aus der anderen herausgekriegt hat ... wie hieß sie noch?«
»Mathilde Ubrecht«, soufflierte Kluuge.
»Ja, genau. Wenn wir diese beiden lächerlichen Aussagen zusammen auf eine Waagschale legen, so deuten sie doch zumindest in die gleiche Richtung. Sie scheinen nicht zu wissen, wann er verschwunden ist.«
»Dann sollte diese Geschichte, dass er Gott getroffen und einen Auftrag bekommen hat, und dass das jetzt eine Zeit der Proben ist, das sollen sich die Frauen alles selbst zurechtgebastelt haben?«, wollte Lauremaa wissen.
Reinhart zuckte mit den Schultern.
»Warum nicht?«, sagte er. »Die Hauptsache war für sie doch wohl, die Mädchen zum Schweigen zu kriegen, wie ich mir denke. Ja, ich glaube, das kommt schon hin.«
Wieder war es still.
»Und die dritte?«, fragte Tolltse. »Madeleine Zander. Wir sollten nicht vergessen, dass sie zu dritt waren. Es kann etwas zu einfach sein, sie über einen Kamm zu scheren. Klar, sie halten alle drei zusammen, aber es spricht nichts dagegen, dass es nicht doch irgendwo Risse in der Harmonie geben könnte ... reichlich Risse eigentlich.«
»Und tiefe«, nickte Servinus. »Ich persönlich finde ja, dass es fast den Naturgesetzen widerspricht, wenn drei Frauen in dieser Art zusammenhalten. Und dann auch noch schweigen.«
»Stammtischgeschwätz«, sagte Lauremaa.
»Machogehabe«, fügte Tolltse hinzu.
»Es sei denn, sie wollen einen Kerl einschüchtern«, sagte Servinus.
Kluuge wurde langsam etwas unruhig.
»Also, ja, nun«, unterbrach er vorsichtig. »Ich neige nun doch dazu, mich der Meinung von Kommissar Reinhart anzuschließen. Das hängt zusammen. Die Frage ist natürlich nur,
was uns das bringt ... wenn sie nun vollkommen unwissend sind. Was meint ihr?«
Niemand meinte irgendetwas, denn in dem Moment öffnete sich die Tür um zwanzig Zentimeter und Frau Miller schaute herein.
»Entschuldigung«, sagte sie. »Telefon für den Polizeichef.«
»Jetzt nicht«, setzte Kluuge an.
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