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Der Kontinent der Lügen

Der Kontinent der Lügen

Titel: Der Kontinent der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Schmutz und Schwielen.
    Nachdem der Gärtner zu seinen Todesbäumen
zurückgekehrt war, erkannte ich, daß es jetzt an der Zeit
war, Kusks Angebot entweder abzulehnen oder es unter einer
entscheidenden Bedingung anzunehmen.
    »Also schön, Baron Kharsog. Ich werde Ihr Erzbischof
– aber vorher habe ich noch eine Frage. Sie sagten, ich sei
ehrlich. Da stimme ich Ihnen zu. Aber wie ist es mit Ihnen? Sind Sie ein vertrauenswürdiger Mann?«
    Wir schlenderten nebeneinander in den Schatten des ältesten
Baumes im Gewächshaus, den Kusk als Schweine für den
Markt identifizierte. Die Äste machten willkürliche,
schleichende Bewegungen und befleckten den Boden mit dem Schatten
einer Bestie, die niemals das Licht der Welt hätte erblicken
dürfen. Als ein Zweig Kusks Hand berührte, pflückte er
eine der Lotoskapseln ab.
    »Geschichte ist Frucht«, sagte der Baron. »Prinz
Paris schenkt Aphrodite einen goldenen Apfel, und das Schicksal von
Troja ist besiegelt. Lord Newton sieht eine faule Birne vom Baum
fallen, und der Wunderglaube wird aus der Galaxis verbannt. Und wir
wollen auch den Garten Eden nicht vergessen; dort, so heißt es,
hat…«
    »Geschichte interessiert mich nicht. Was mich interessiert,
ist…«
    »Natürlich können Sie mir
vertrauen.«
    »Dann werden Sie Lilit und Urilla abreisen lassen. Ja, ich
bin sicher, daß meine Tochter Ihre Kirche liebt. Aber bitte.
Sie müssen das verstehen. Bitte. Wir können nicht
auf sie verzichten. Noch nicht. Nicht jetzt. Nicht, ehe sie
nicht… älter ist.«
    Kusk schwieg lange Zeit; er polierte nur die Lotoskapsel mit
seinem Ärmel. Plötzlich schlug er sein Gewand auf, und ich
sah, daß sein Kittel von der gleichen Fahrstuhlsteuerung
gehalten wurde, wie sie Prill ebenfalls trug. Er schnallte den
Gürtel ab und legte ihn mir über die Schulter.
    »Warum tun Sie das?« fragte ich.
    »Den werden Sie brauchen, um morgen nacht zum Bahnhof zu
kommen. Um neunundzwanzig Uhr fährt ein Pendelzug nach
Ushumgallum von der Burg ab, um Vorräte für das
Semesterabschlußbankett zu holen. Sie können Ihre Frau und
die Kinder mitschicken. Begleiten Sie mich jetzt zu meinem
Arbeitszimmer, dann gebe ich Ihnen die erforderlichen Fahrkarten. Sie
sehen überrascht aus, mein Erzbischof.«
    Wahrscheinlich sah ich eher verdutzt aus. »Ich bin auch
ziemlich überrascht.«
    »Ihre Tochter gehen zu lassen ist der einzige Weg, wie ich
Ihnen beweisen kann, daß sie hierher gehört. Wenn Sie
sehen, wie sie leidet, werden Sie erst dann wieder ruhig schlafen
können, wenn sie wieder hier ist, wenn ihr Leben wieder ihren
holistischen Instinkten entspricht und sie mit der göttlichen
Vollkommenheit vereint ist. Als liebender Vater werden Sie tun, was
am besten für Ihre Tochter ist, soviel steht fest.«
    Ich schnallte den Gürtel um. Ob ich mißtrauisch war?
Natürlich. Aber dann fiel mir der ausgeweidete Leichnam von
Kater Basil ein, und ich beschloß, Lilit und Urilla in den Zug
zu setzen, was auch immer geschehen mochte.
    Kusk zeigte auf seine Kinder. »Nun, wie hoch wird hier der
potentielle Ernteertrag sein, mein Erzbischof? Einmal angenommen, die
Hälfte der Bäume erweist sich als lebensfähig. Wie
viele Äpfel werden wir ernten?«
    »Wenn die Hydrasteroiden fruchtbar sind und kein Pilzbefall
auftritt – zehn Milliarden.«
    »Zehn Milliarden Äpfel.« Das ging ihm wie Honig
hinunter, wie ich sah. »Gut. Und Goth tritt in jedem von ihnen
auf. Die Zukunft ist vorgezeichnet, Euer Gnaden. Noch in diesem
Jahrhundert wird mich die ganze Galaxis essen!«

 
16

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Mitwirkung
des Publikums

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    Die ganze Galaxis wird mich essen! So sehr ich mich auch
bemühte, ich konnte Kusks Prahlerei nicht aus meinen Gedanken
vertreiben. Ich hatte den unheiligen Hain gesehen, den Garten der
Todesbäume, in dem die Früchte des Verderbens reiften, und
mir war klar, daß nun zahllose Unschuldige dem Wahnsinn zum
Opfer fallen würden, ein Vorka-Massaker nach dem anderen. Die
ganze Galaxis wird mich essen! Nicht, wenn Quinjin der
Große es verhindern konnte.
    Ich verbrachte den Nachmittag damit, meine neuen Flügel
auszuprobieren. Am Abend war ich so weit, daß ich dank Kusks
Fahrstuhlgürtel mit dem Selbstvertrauen und der Geschicklichkeit
des endlos kreisenden Spatzengeiers, den ich in seinem Arbeitszimmer
gesehen hatte, im Schacht hinauf- und hinuntersausen konnte. Und wie
der Spatzengeier entdeckte ich bald, daß ständige Bewegung
nicht dasselbe wie Fortschritt ist.
    Ich erkundete die Kharsog-Festung so

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