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Der Kontinent der Lügen

Der Kontinent der Lügen

Titel: Der Kontinent der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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darauf
hindeuteten, daß er bald Windeln brauchen würde.
    Außer Urilla, Jonnie und mir gehörten an jenem
Nachmittag zwei bärtige, abgerissene junge Männer zur
Kundschaft des Restaurants, für die der Verrückte Rabe
offenbar die Zuflucht vor ihrer wohlverdienten Strafe war. Als die
Schreie ertönten, schauten alle auf – alle außer dem
Barkeeper, der über die Jahre hinweg zweifellos Menschen zu
Gesicht bekommen hatte, die sich seltsamer benommen hatten als Boo.
Die Abgerissenen gaben einander durch ihren jeweiligen Bierdunst
hindurch einfach nur ein Zeichen, wahrscheinlich etwas des Inhalts,
daß sie verschwinden und sich in ihren Zimmern verstecken
sollten. Wir anderen folgten Boo aus dem Hexenmeister hinaus, durchs
Foyer, einen Säulengang entlang, auf die Rollbahn und in die
Nähe eines Objekts, das wie die Kreuzung zwischen einer
Dreschmaschine und einem Pterodaktylus aussah.
    Für Urilla, Jonnie und mich kam die Ankunft des Vulkanbombers
weit weniger überraschend als für Boo. Fünf Stunden,
nachdem Baptizer aus dem See gefischt worden war, hatte er sich ins
Rettungsboot der Fleischtopf gezwängt und war nach
Mulla-Xul aufgebrochen, das die Schwesterstadt von Gidim-Xul und
›die Hauptstadt für illegale Waffen in der Galaxis‹
war. Er hatte sich auf die Suche nach illegalen Waffen und dem
Personal gemacht, das sie bedienen konnte.
    Jedes Konstruktionsmerkmal der Dante – jede
Steuerflosse, jede Tragfläche, jeder Turm und jedes Bullauge
– war offenbar wegen seiner Eigenschaft gewählt worden, den
Betrachter zu erschrecken und zu deprimieren. Der Vulkanbomber lag
– nein, kauerte – knapp fünf Meter von der
Kopplungsbucht der Fleischtopf entfernt auf der Rollbahn, und
bald bemerkte ich Baptizer im Tal zwischen diesen beiden
Raumschiffgebirgen. Sein Druckanzug gab seinem ohnehin schon
aufgequollenen Körper die Proportionen eines Grorgs. Sein
Sturzhelm war mit Flügeln verziert. Er schloß die Luke und
kam auf uns zustolziert.
    Ein lüsternes Blinzeln für Urilla, dann: »Dieses
Mulla-Xul, das ist vielleicht mal ’ne Stadt. Babylon mit
Laufbändern als Bürgersteige. Ich hätte das
Rettungsboot gegen eine gottverdammte Quarkbombe eintauschen
können, wenn ich gewollt hätte.« Baptizer machte eine
Geste zu dem Vulkanbomber, als ob er ihn geboren hätte.
»Und diese Schönheit da ist bloß unser
Flaggschiff. Morgen früh, wenn wir bei 888 ankommen, kriegen wir
zwanzig weitere als Verstärkung.«
    »Flaggschiff, hm?« fauchte Boo ganz untypisch
extrovertiert. »Na schön, aber ich will’s hier nicht
haben.«
    »Immer mit der Ruhe, Paesurely. Ich hole bloß
Passagiere ab. Wie wär’s, Dr. Aub? Wie wär’s,
Pissespritzer? Wie wär’s, Kritiker? Zieht ihr mit mir in
den Krieg?«
    Er bekam gleichzeitig vier Antworten.
    »Ja«, sagte Urilla.
    »Nein«, sagte Jonnie.
    »Lieber würde ich den lauernden Lügner schlucken«, sagte ich.
    »In welchen Krieg?« fragte Boo Paesurely.
     
    Man könnte vermuten, daß mein Vergleich zwischen dem
Angriff auf die Hamadryade und dem Genuß ihrer Frucht jeden
Gedanken an meine Teilnahme an dem bevorstehenden Kampf im Keim
erstickt hätte. Aber nein. Beim Abendessen an diesem Tag brachte
Urilla das Thema immer wieder aufs Tablett und stichelte unbarmherzig
über meine Bereitschaft, das Abenteuer meines Lebens zu
verpassen.
    »Ich muß ein Auge auf Lilit haben«, sagte ich.
    Urilla erkundigte sich, wie ich das denn anstellen wolle, wenn
Lilit den ganzen Tag mit Rudd Bruzbee auf dem See herumgondelte. Ich
schnaubte. Urilla spürte eine Bresche und bombardierte mich
weiter; sie versicherte mir zunächst lang und breit, daß
Iggi vollauf fähig sei, ein Auge auf Lilit zu haben, wohingegen ich sie bloß nervös machen würde, und ging
dann mit Anspielungen auf meine Angst vor einem Kampf mit ›einem
albernen Busch‹, wie sie es nannte, zum Frontalangriff
über.
    Erniedrigung und Wut wallten in mir auf, und ich wußte,
daß es nur einen Ausweg gab.
    Das Abendessen endete, Sabik ging unter, und es wurde Mitternacht.
Ein kühler, dünner Nieselregen wusch unsere Gesichter, als
wir die Rollbahn betraten und mit einem ganz unterschiedlichen
Ausmaß an Begeisterung zu dem Bomber gingen. Der Nebel
verwischte die Positionslampen, die uns anblinkten und sich mit den
Sternen und Hydrasteroiden über Gidim-Xul vermischten. Als wir
an Bord waren, sahen wir Baptizer dabei zu, wie er das Schiff
für den Einsatz ausräumte. Er riß etliche Waffen- und
Instrumentenbänke heraus, die

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