Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller
James Rodale hatte den Vormittag damit verbracht, DeClercqs Konzept der Fliegenden Streifen den letzten Schliff zu verpassen. Er war zum Computerkommando gegangen, um dort den unabhängigen Informationspool einzurichten, der diesen Streifen – frei von allen Theorien, Vermutungen und Folgerungen – zugänglich sein sollte. Deshalb befand er sich in der Nähe der Kommunikationszentrale, als die Faxantwort auf Awakomowitschs Anfrage bezüglich der vom Kürbiskopf abgenommenen Abdrücke eintraf. Einer alten Gewohnheit folgend, sah Rodale auf das Blatt Papier, das aus dem Gerät glitt, als er an ihm vorbeiging. Dann blieb er ruckartig stehen.
Die Fingerabdrücke auf dem Kürbis, meldete das Berichtszentrum, stimmten mit denen überein, die für einen gewissen Fritz Sapperstein registriert waren.
Sapperstein war wegen eines Einbruchdiebstahls im Jahre 1974 aktenkundig und hatte eine Adresse in der Stadt Richmond.
Rodale war in Richmond zu Hause.
Der Sergeant nahm das Fax, hinterließ eine Kopie für Awakomowitsch, überprüfte dann seine Smith & Wesson .38 und verließ das Computerkommando, um »Mad Dog« Rabidowski aufzusuchen.
Er fand ihn.
10:45 Uhr
Die guten Bürger von Vancouver und der vielen Vororte verbrachten den wolkigen Vormittag damit, nach mehr Regen Ausschau zu halten und ungeduldig auf die erste Ausgabe der Sun zu warten. Als die Zeitung schließlich an den Kiosken erschien, war die Extraausgabe binnen weniger Minuten verkauft, und die braven Bürger bekamen genau, was sie wollten. Der Mord an der Nonne war über zwei Druckseiten dargestellt, dazu kamen zwei weitere Seiten mit Fotos.
Und zu den Fakten des Falles kamen die üblichen farbigen Geschichten. Eine davon war eine Barometerdarstellung von Interviews, die man auf der Straße mit Frauen gemacht hatte. Dies waren einige der Bemerkungen:
»Also, ich werde mein Haus bestimmt nicht ohne ein Messer in der Handtasche verlassen. Die Polizei sagt, dass man gegen das Gesetz verstößt, wenn man eine versteckte Waffe bei sich trägt. Also, mir ist das egal. Mich kriegt der Headhunter nicht, da werde ich mich wehren.«
»Eine Nonne! Mein Gott! Ist denn irgendeine Frau sicher? Dieser Kerl ist total wahnsinnig. Wenn der Stadtrat ein wenig Mumm hätte, würden die einfach nach zehn Uhr abends für sämtliche Männer in dieser Stadt eine Ausgangssperre verhängen.«
»Warum sind denn die Leute so schockiert? Ich sehe das als gar nichts Besonderes an. Dieser Headhunter und was er treibt, das ist nicht mehr als eine Extremversion der Ängste, die die meisten Frauen jeden Tag ihres Lebens erleiden. Ich fahre mit dem Bus, äh, und muss mich gegen einen betrunkenen Geschäftsmann wehren, der zu dicht bei mir sitzt und versucht, den Arm um mich zu legen. Aber – und das kennt jede Frau auf der ganzen Welt – ich muss das auf nette Art tun, damit es keine Szene gibt. Und kaum bin ich aus dem Bus raus, steht mir da ein Fremder im Weg und fragt mich mit rauer Stimme: ›Ganz allein? Sie wissen wohl nicht, dass ein Mörder unterwegs ist? Wo wohnen Sie? Ich bring Sie nach Hause.‹ Und dann dauert es eine Ewigkeit, den Kerl loszuwerden – auf nette Art. Und jetzt frage ich Sie, laufen wir etwa rum und grapschen ständig Männer an oder bestehen darauf, sie nach Hause zu begleiten und werden unangenehm, wenn sie Nein sagen? Ganz bestimmt nicht …«
»Ich sag’s Ihnen, nehmen Sie einfach jeden Sexualtäter – und meinetwegen jeden Mann, wenn Sie schon dabei sind – und schneiden Sie denen einfach die Eier ab. Amen, Schwester.«
12:02 Uhr
Matthew Paul Pitt empfand pathologischen Hass auf seine Mutter. Sie hatte Selbstmord begangen, als er vier Jahre alt war. Pitts Vater hatte daraufhin seine beiden Söhne in ein Pflegeheim gesteckt. Eine Weile darauf war er zurückgekehrt und hatte einen der Jungen wieder rausgeholt, Pitt aber zurückgelassen. Und seit diesem Tag hatte er seine Mutter gehasst, weil die Familie – so wie er das sah – nicht zerbrochen wäre, wenn sie sich nicht selbst getötet hätte.
Als Kind war für Matthew Paul Pitt eine Fehldiagnose ausgestellt worden, in der er als »zurückgeblieben, aber ohne Psychose« bezeichnet worden war. Die Folge war, dass der Australier 24 der 28 Jahre seines bisherigen Lebens in Anstalten verbracht hatte, Tag für Tag von Menschen umgeben, mit denen er nicht kommunizieren konnte. Matthew Paul Pitt hatte sich wie ein eingewachsener Zehennagel langsam in sich selbst gedreht. Am Ende hatte er als Folge dieser
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