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Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Gürtel. Er mußte dabei den Arm strecken, weil sie von ihm abrückte. Sie fing zu zittern an, aber auch er erschrak heftig, als er plötzlich ihre Brust spürte. Er fuhr sie an: »Sitz still du!« Wenn sie sich jetzt gewehrt hätte, wie sich voriges Jahr das Mädchen aus Botzenbach gewehrt hatte, die kleine Magd – – – aber dieses Mädchen war starr vor Angst, sie saß wirklich ganz still. Es ging vorbei. Der junge Merz lachte jetzt hart. »Am Mittwoch kommen doch deine Mädchen. Da wird dir meine Mutter durch Luise einen großen Kuchen schicken.«
    Zwei Tage später brachte Luise wirklich einen solchen Kuchen in Bastians Haus. Sophie, die knappgehalten war, lächelte zum erstenmal und errötete vor Freude. Alle Mädchen brachten Kuchen und Geschenke, die auf einemgroßen Tisch gerichtet wurden. Sophie vergaß allmählich den Grund dieses Abschiedsfestes, wurde fröhlich und sang mit ihrer dünnen, in dem kräftigen Lied verlorenen Stimme.
    Unter den eingeladenden Mädchen war auch Dora Bastian. Sie trug eine Schürze. Da dasselbe Fest in den nächsten Tagen bei Luise Merz stattfand, hatte es bei den Mädchen daheim Scherereien gegeben wegen der notwendigen doppelten Geschenke. Aber bei Dora Bastian hatte das Geschenk schwer auf allen gelegen. Johann hatte sogar etwas aus Holz schnitzen wollen, aber man konnte nichts Gemachtes schenken, nur Gekauftes. Schließlich hatte Bastians Frau zwei silberne Löffel geholt, die sie selbst von ihrer Patin bekommen hatte. Dora Bastian merkte am Geruch des Kuchens, daß er süß und butterig war. Nahm sie aber einen kleinen Bissen in den Mund, dann war er sandig. Auf dem weiß gedeckten, mit Geschenken und Kuchen bedeckten Tisch flimmerten die silbernen Pünktchen der Löffel. Sie merkten, daß ihr Sophie ähnlich war. Diese aber war weiß gekleidet. Zweimal hatte Konrad Bastian durch die Tür gesehen, ihrem Vater auf schnurrige Weise ähnlich. Aber das Haus war fremd und fest, die Pumpe draußen war ummauert, sie hatte eine seltsame Form, mit einem Knopf wie eine Mütze, sah aus, als sei sie in alten Zeiten wie die kräftigen Birnbäume selbst aus der Gartenerde gewachsen. Dora sah Sophie an, alle übrigen Mädchen lachten durcheinander, nur ihre beiden Gesichter waren abseits.
    In derselben Woche kamen dieselben Mädchen, die bei Sophie Bastian gewesen waren, in Merzens Haus. Aber während Sophie unter ihren Gästen verschwunden war, saß Luise Merz groß an der Spitze des Tisches. Der Kaffeetisch war in dem Zimmer gedeckt, das dem alten Merz als Kanzlei und Standesamt diente. Als der Nachmittag zu Ende ging, wurde eine große Kanne Glühwein und einZinnlöffel hereingebracht und jedem der Mädchen ein Glas vollgeschüttet. Die Mädchen rückten den großen Tisch an die Wand, legten, was es an zerbrechlichen Dingen im Zimmer gab, in einen Korb, stellten das Radio an und tanzten. Inzwischen war der junge Merz etwas früher als sonst vom Feld heimgekommen. Er setzte sich auf die untere Treppenstufe und horchte. Obwohl er wußte, daß dieses Mädchenfest der Hochzeit voranzugehen pflegte, war er unglücklich. In dem kräftigen, fast schrillen Gelächter hörte er ein dünnes, vogelhaftes Lachen. Er erriet, woher es kam, obwohl er es nie selbst gehört hatte. Erbitterung ergriff ihn, alles war dunkel, er hatte keine Einsicht in die Zeit, was nicht sofort war, war niemals. Inzwischen waren die Mädchen übereingekommen, die beiden Bräute miteinander tanzen zu lassen. Er stand auf und öffnete leise die Tür. Mit vorgedrückter Brust, mit ernstem Gesicht verschränkte Luise ihre Arme um Sophiens Rücken, Sophie mußte die Arme hochhalten, um ihre Hände auf Luisens Schultern zu legen. Ihr Gesicht lag im Nacken, lächelnd, fast glücklich. Niemals hatte er ihr Gesicht so gesehen. Er ahnte auch, daß er es niemals im Leben so wiedersehen würde. Es wurde ja jetzt schon starr. Sie ließ bei seinem Anblick die Arme fallen, sie blieb so plötzlich stehen, daß der ganze Tanz in Unordnung kam. Die Mädchen lachten und schrien: »Raus! Raus!« Der junge Merz blieb stehen. Sein Gesicht verzog sich vor Wut. Er schrie: »Gleich kommste raus!« Sophie folgte, sie war gewöhnt, zu folgen. Die Mädchen hörten nicht auf zu lachen über den Bräutigam. Der junge Merz stieß die Tür zu, er zog das Mädchen die Treppe hinauf. Er drückte sie gegen die Wand mit zwei Griffen, dahin, dorthin. »Jetzt kannste wieder rein.« Er stieß sie die Treppe hinunter, puffte sie zurück. Der junge Merz

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