Der Kopflose Rächer
Kumpane. Suko hörte heraus, daß sie sich die Arbeit eigentlich hatten teilen wollen, doch dazu war es nicht gekommen, weil die anderen fehlten. Sie hatten sich auch nicht abgemeldet, was die Typen hier nervös machte, und Suko bekam auch mit, daß der Chef bereits Bescheid wußte.
»Fertig?« rief einer von ihnen zur Kochtheke rüber.
»Gleich.«
»Wir haben heute nicht viel Zeit, Sally.« Der Mann, der gesprochen hatte, war ein kantiger, nicht sehr großer Typ mit einem vorstehenden Kinn und trüben Augen. Er trug einen dunklen Rollkragenpullover, der seinen Hals nicht völlig bedeckte. Der obere Teil lag frei, deshalb sah Suko auch die rote Narbe.
Die beiden bekamen ihr Essen. Flache Hamburger von gerösteten Brötchenhälften bedeckt. Die Flasche Ketchup stellte Sally ebenfalls hin und sagte mit leicht zittriger Stimme: »Guten Appetit.«
Der Narbige lächelte kalt. »Danke, daß du so nett bist und uns ein Essen spendierst. Wir werden es zu schätzen wissen.«
»Natürlich.«
Auch Suko bekam seinen Hot Dog. Er zahlte direkt und legte ein kleines Trinkgeld hinzu.
Sally bedankte sich, bevor sie wieder zurück an ihren Platz ging und anfing, Pommes frites aus einem Karton in eine große Schublade zu schaufeln.
Allmählich setzten sich die Stäbchen auch auf der Insel durch, ohne allerdings die Fish & Chips ablösen zu können. Sie zu essen, war für viele Briten Tradition, doch Suko konnte sich daran nicht gewöhnen.
Die beiden anderen Gäste aßen und tranken. Sie gaben sich ganz normal, unterhielten sich auch, wobei sie nur allgemeine Themen ansprachen, bis der Narbige nickte und sich erhob.
Sally hatte die beiden beobachtet. Sie schreckte zusammen, als sie die Bewegung sah.
Suko schluckte den letzten Rest seiner Wurst runter. Mit einer langsamen Bewegung hob er das Glas mit dem Mineralwasser und schaute über den Rand hinweg zur Eßtheke hin, wo Sally die Geste verstanden hatte, nickte und ihren Platz verließ.
Durch eine schmale Tür gelangte sie in einen hinteren Raum. Sie schloß die Tür erst, nachdem der Narbige den Raum ebenfalls betreten hatte.
Suko stand auf.
Er wurde vom Nebentisch aus beobachtet, was ihn nicht störte. Erst als er auf die Tür zu den Toiletten zuging, die ziemlich dicht an der Theke lag, sprach der Typ ihn an.
»Wo willst du denn hin?«
»Mein Ende betrachten.«
Der andere lachte. »Stark gesagt. Aber gib acht, daß du dich nicht verläufst.«
»Keine Sorge, ich bin schon groß.«
Hinter der Tür fand sich Suko in einem zugigen Gang wieder. Sein Plan war, in den hinteren Raum zu gelangen, wohin auch Sally und der Gast verschwunden waren.
Leider hatte dieser keinen zweiten Eingang von der Seite her, aber Suko konnte durchaus einen Hinterhof erreichen, vorausgesetzt, die Tür am Ende des Ganges war nicht verschlossen.
Er hatte Glück.
Kalter Wind fuhr ihm ins Gesicht. Er verengte die Augen etwas, denn nur wenige Schritte entfernt parkte ein dunkler Mercedes Combi, dessen Fenster geschwärzt waren.
Er gehört nicht den Typen, und Suko wunderte sich eigentlich über den Wagen.
Er ging auf ihn zu, weil er das unbestimmte Gefühl hatte, daß dieser Mercedes wichtig für ihn sein konnte. – Von der linken Seite her erwischte ihn der Schlag. Er hatte sich noch darüber gewundert, daß ein Parfümgeruch in seine Nase geweht war, dann blitzte es vor seinen Augen auf, und er sackte auf der Stelle zusammen.
Zwischen Wagen und Haustür blieb er liegen…
***
»Das Geld!« forderte der Narbige.
Sally nickte und zog die Schublade eines hölzernen Küchentischs aus, der in der Raummitte stand. Aus der Lade holte sie die schlichte breite Geldbörse hervor, ohne sie jedoch zu öffnen. Sie hatte ihr flache Hand auf den Reißverschluß gelegt.
»Was ist los?«
»Ich… ich kann in dieser Woche nicht soviel zahlen. Das geht einfach nicht.«
»Das stört mich doch nicht, was du für Probleme gehabt hast. Wenn du nicht zahlst, wird deine Bude bald in die Luft fliegen.« Er schüttelte ärgerlich den Kopf. »Gib das Geld her, wir müssen weiter.«
Sally nickte. Mit Mühe hielt sie die Tränen zurück. Sie zerrte den Reißverschluß der Geldbörse auf und griff mit spitzen Fingern in die Öffnung. Die Scheine knisterten. Sally hatte nicht viel. In der Kasse etwas Wechselgeld, das war alles. Sie fror, und sie spürte den eisigen Blick des Mannes auf sich gerichtet. Sie stand kurz vor dem Weinen.
Ihre Haut war kalt, die großen Augen schwammen im Wasser, und der Narbige wollte
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