Der Kopflose Rächer
er die Waffe an, und einen Moment später spürte Brenda den kalten Stahl der Klinge an ihrer Kehle…
***
Jetzt ist es aus! Jetzt ist es vorbei! Jetzt wird er zudrücken und dir langsam die Kehle einschneiden. Er wird sich darauf freuen, wie du stirbst, er wird sich daran ergötzen, obwohl er keine Augen mehr hat. Er kann es spüren, fühlen und auf andere Weise mitbekommen. Sie regte sich nicht.
Wie ein Eiszapfen stand sie im Flur und berührte mit dem Rücken die Wand. Sie kam ihr seltsam kalt vor, wie ein altes Leichentuch, das als Hemd zweckentfremdet worden war.
Das Blut hatte sich in Eis verwandelt. Es floß nicht mehr, es war einfach starr.
Als noch kälter empfand sie die Klinge im Hals. Es dauerte seine Zeit, bis ihr bewußt wurde, daß der kopflose Jerome T. Harker nicht die Absicht hatte, ihr die Kehle durchzuschneiden, denn als sie nach unten schielte, da sah sie, daß der Stahl mit der breiten Seite ihre Kehle berührte, nicht mit der Schnittfläche.
Selbst diese Tatsache verschaffte ihr keine Erleichterung. Sie steckte in der Falle. Das Vorhaben, die Tür zu erreichen und damit aus der Wohnung zu fliehen, war gescheitert.
Hier kam sie nicht weg, solange es die andere Seite nicht wollte. Sie mußte bleiben, und sie mußte leiden.
Eine Hand hatte der Kopflose frei. Er bewegte sie, und Brenda spürte, wie sie sich an sie herantastete und plötzlich mit rissigen, kalten Totenfingern ihr Gelenk umschloß.
Jetzt hatte er sie.
Die Klinge bewegte sich. Zuerst ein Zucken, das sie auch auf der Haut spürte, dann schleifte sie am Hals entlang und sank endlich dem Boden entgegen.
Aufatmen – aber nur kurz!
Dann spürte sie den Ruck, und Brenda wußte genau, was der andere wollte. Er zerrte sie weiter durch den Flur, aber nicht auf die Küche zu, sondern auf das Bad.
Plump taumelte Brenda neben ihm her. Einmal wäre sie beinahe über die eigenen Beine gestolpert, sie konnte sich aber fangen und ging weiter. Vor der Badezimmertür blieb sie stehen, weil auch der Kopflose angehalten hatte.
Er bewegte seinen rechten Arm und damit auch die Waffe. Den Stahl legte er auf die Klinke. Durch einen Druck glitt sie auch nach unten, so daß er die Tür öffnen konnte, als er mit der Fußspitze gegen das Holz stieß. Sie schwang nach innen, während die Frau nach links schaute.
Noch sah sie die Wohnungstür, aber sie traute sich nicht, hinzugehen, denn der Kopflose würde sie immer einholen.
Durch den Druck seiner Hand machte er ihr klar, daß sie das Bad betreten sollte. Brenda weigerte sich nicht, denn das alles hätte keinen Sinn gehabt.
Und wieder kam es ihr vor, als würde sie eine andere Welt betreten. Der Leichengeruch schwang ihr als widerliche Wolke entgegen. Er legte sich wie Schleim auf ihr Gesicht. Brenda würgte. Dann ging sie weiter.
Neben ihr blieb das kopflose Monstrum. Ein wandelnder Alptraum, ein abstruses Zerrbild eines Menschen, und die Frau wunderte sich darüber, daß sie noch nicht zusammengebrochen war und sich auf den Beinen halten konnte. Sie hätte sich eine tiefe Ohnmacht oder eine Bewußtlosigkeit gewünscht, um alles vergessen zu können, das aber war ihr nicht vergönnt. Sie mußte sich den Tatsachen stellen, diesen verfluchten, auf den Kopf gestellten Realitäten, die sie selbst in ihr Leben hineingeschafft hatte. Hinter dem Fenster mit der Milchglasscheibe sah sie einen verschwommenen Lichtfleck. Er stammte von einer Laterne, die vor dem Nachbarhaus stand. Nicht einmal weit entfernt, für sie aber Lichtjahre weg.
Der Geruch drehte ihr beinahe den Magen um. Sie schluckte einige Male, besser wurde es davon auch nicht. Mit zu Boden gerichteten Blick ließ sie sich weiterführen und auch herumdrehen, damit sie das Ziel anschauen konnte, das Harker für sie ausgesucht hatte.
Es war der schmale, aber bis zur Decke reichende hohe Schrank, in dem sie Handtücher und sonstige Dinge aufbewahrt, aber seit neuestem auch die furchtbare Beute.
Zwei Köpfe!
Einer mit, der andere ohne Haare.
Sie hatte kein Licht gemacht. Diffuses Dämmerlicht trieb durch den Raum. Wenn Brenda in den Spiegel schaute, sah sie sich als schattenhaftes, graues Gespenst.
Neben ihr bewegte der Kopflose seine Waffe. Er hob sie an, und die Klinge warf einen Schatten auf den Boden, der ebenfalls mit ihr in die Höhe wanderte.
Die etwas abgeschrägte und dabei als Rechteck auslaufende Spitze der Machete wies direkt auf den Schrank, damit Brenda wußte, was sie zu tun hatte.
Als die Waffe dumpf gegen den Griff
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