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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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zu warmen Biers und ein Holzbrett mit Fleischstücken, deren Ursprung der Hexenjäger gar nicht wissen wollte, und labbrigen Möhren vor. Auch wenn Heidelberg weniger von der Hungersnot beeinträchtigt wurde als andere Städte, so war es den Einwohnern dennoch nicht möglich, Gemüse gedeihen zu lassen. Während er aß, schweifte sein Blick ruhelos durch den Raum. Dadurch überraschte es ihn nicht, als ein dünner, athletischer Mann mit kurzen, schwarzen Haaren und einem langen Ziegenbart sich ihm gegenüber niederließ. Oswald ließ dabei demonstrativ seine kunstvoll verzierte Steinschlosspistole unter seinem Mantel hervorblitzen.
    »Hast dich gut gehalten, Goldjunge.«
    Sie reichten sich die Hände und umfassten herzlich den Unterarm des anderen, während sie sich auf die Schultern klopften.
    Goldjunge war Silas’ Spitzname, seit Oswald herausgefunden hatte, dass der Hexenjäger der uneheliche Sohn eines Adligen und am Hof seines Vaters aufgewachsen war.
    »Wie gehen die Geschäfte?« Silas bot seinem Freund von der Mahlzeit an.
    »Die Hungersnot macht sich bemerkbar.« Oswald schob sich ein Stück Fleisch in den Mund und entblößte dabei mehrere Zahnlücken. »Die Menschen sind immer weniger bereit, für einen anständigen Mord zu zahlen. Zudem drängen mehr und mehr Stümper auf den Markt. Aber was soll ich klagen, sobald die Menschen wieder ein paar Münzen übrig haben, werden sie den Frust der letzten Monate herauslassen wollen, und dann brechen goldene Zeiten an.«
    Silas nickte. »Es staut sich einiges an Wut an. Gut für das Geschäft.«
    Kurze Zeit herrschte Stille, dann wurde Oswald ernst. »Was führt dich hierher?«
    »Ich suche jemanden.«
    »Ist dir eine Hexe entwischt, oder hast du endlich einen vernünftigen Auftrag angenommen?« In Oswalds Stimme schwang Hoffnung mit. Er hatte nie akzeptiert, dass Silas Frauen tötete, selbst wenn es Hexen waren. Seiner Ansicht nach ging das gegen die Berufsehre.
    »Weder noch. Ich muss Zacharas finden.«
    »Deinen Bruder?« Oswalds Augen weiteten sich. Er gehörte zu den wenigen Menschen, die Silas’ wahren Familien­namen kannten: Silas-Vivelin von Orvelsbach. Adele, seine Stiefmutter, hatte seine Anwesenheit, ein Bastard, der sie ständig an die Untreue ihres Gatten gemahnte, allerdings nur widerwillig geduldet. Trotz der Liebe zu Vater und Halbbruder hatte er sich daher nie wie ein Teil der Familie gefühlt und beschlossen, den Namen seiner Mutter, Ismalis, zu führen.
    »Er ist verschwunden.«
    »Andere wären froh darüber. Jetzt stehen nur noch zwei Brüder zwischen dir und dem Erbe.«
    »Ich pfeif auf die Kohle. Kannst du dir vorstellen, wie ich in Perücke und aufgeplusterten Samtroben herumstolziere? Ich werde mein Bestes geben, um das zu verhindern, und wenn ich sie aus jedem Ärger persönlich herausboxe.«
    Silas wusste, dass Oswald seine Kaltblütigkeit durchschaute. Der Hexenjäger liebte Zacharas trotz dessen kleinen Tick, der ihn vor allem in seiner Jugend zwang, ständig ein Symbol zu zeichnen, abgöttisch, ebenso wie seinen verstorbenen Vater, der sich seiner annahm, als seine Mutter viel zu früh starb.
    »Hörst du dich für mich um?« Silas wollte sich nicht ausmalen, was seinem Bruder zugestoßen sein könnte. Zacharas war ein weicher und sanfter Mann, der kein Verständnis für Gewalt aufbrachte. Umso erstaunlicher war das enge Band zwischen den Brüdern.
    Oswald nickte. »Ich schulde dir noch etwas für die Sache in Worms.«
    Silas grinste. »Da hatten wir Spaß.«
    »Du vielleicht. Bei mir endete es mit gebrochenen Armen und ausgeschlagenen Zähnen.«
    »Irgendeinen Preis muss man immer zahlen.«
    »Darauf stoßen wir an!« Oswald hob seinen Krug und nahm einen kräftigen Zug. »Falls du dir ein paar Münzen extra verdienen willst. In Heidelberg soll ein Hexenzirkel sein Unwesen treiben. Wer ihn findet und die Namen der Mitglieder verrät, erhält hundert Gulden.«
    »Hundert Gulden? Ohne ihnen den Hals umzudrehen?«
    Oswald zuckte mit den Schultern. »Mag sein, dass es für tote Hexen mehr gibt, aber du kennst ja meine Meinung.« Er stand seufzend auf. »Ich muss weiter. Kundschaft wartet.«
    Sie umarmten sich, dann verschwand Oswald so unauffällig, wie er gekommen war.
    Silas blieb grübelnd zurück. So viel Geld konnte er gut gebrauchen, allerdings durfte er sich nicht von seiner Suche nach Zacharas ablenken lassen.

7
    Die Universität
    G
    21. Octobris, Heidelberg
    D ie Domus Wilhelmiana befand sich im Zentrum Heidelbergs und

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