Der Kraehenturm
weißt, wo er ist?«
Icherios lief es kalt den Rücken hinunter. Er hatte von der Kneipe gehört. Sämtliche Studenten machten einen großen Bogen um diesen Ort. Einzig im Rahmen einer Mutprobe wagten die Mutigsten, dort ein Bier zu trinken.
»Ich werde es finden. Wie erkenne ich die Person?«
»Gar nicht, er wird dich ansprechen.« Franz hielt ihm ein weiteres verkohltes Teilchen hin. »Iss noch etwas und bemüh dich, nicht ganz so sehr wie ein Grünschnabel auszusehen.« Er musterte ihn von oben bis unten. »Soll ich nicht doch mitkommen?«
Icherios hätte ihn am liebsten angefleht, ihn zu begleiten, aber er riss sich zusammen. Solange er nicht wusste, was in Heidelberg vor sich ging, wollte er Vorsicht walten lassen.
Die Stunden bis zur Dämmerung verbrachte der junge Gelehrte mit den Ergebnissen seines alchemistischen Versuchs. Es hatte zwar alles nach Plan funktioniert, und er hielt nun verschiedene Flüssigkeiten und Kristalle in Händen, dennoch hatte er keine neue Substanz gefunden. Was auch immer ihn zu einem Strigoi machte, auf diesem Weg ließ es sich nicht extrahieren. Niedergeschlagen setzte er sich aufs Bett und kaute auf seiner Unterlippe. Er hasste das Dasein als Strigoi, aber sterben wollte er auch nicht. Er drückte seinen Kopf in die Kissen und schrie. Nichts gelang aber auch! Weder konnte er einen Hinweis darauf finden, wer seinen besten Freund getötet hatte oder warum, noch war er dem Rätsel um das Schattenwesen oder gar einem Heilmittel für sich näher gekommen. Er nahm eines der Laudanumfläschchen und drehte es zwischen seinen Handflächen. Die giftgrüne Flüssigkeit versprach ewiges Vergessen und ein Ende seiner Qualen. Ein leises Trippeln erklang, dann kletterte Maleficium an ihm hoch und bohrte seine spitze Nase in Icherios’ Nacken. Der junge Gelehrte tätschelte seinen kleinen Gefährten. »Noch ist es nicht so weit.«
Icherios beschloss, auf Mantikor zum Mäuseschwanz zu reiten. Er hatte kurz erwogen, einen Degen mitzunehmen, aber er wusste, dass er sich damit vermutlich nur selbst verletzen würde. Zahlreiche Menschen bevölkerten die Straßen. Pärchen wollten trotz der beißenden Kälte die nächtliche, verschneite Landschaft am Fluss genießen, und Studenten veranstalteten Schneeballschlachten zwischen den Häusern.
Der Mäuseschwanz war innen heller, als er erwartet hatte. Dafür entsprachen die Besucher umso genauer seinen Vorstellungen: kräftige Schlägertypen, schwer bewaffnete, zwielichtige Gestalten und eine Schar leicht bekleideter Mädchen, die selbstbewusst an den Tischen vorbeieilten.
Es gab keine freien Plätze, sodass der junge Gelehrte an einen Tisch in der Nähe der Tür herantrat und darum bat, sich dazusetzen zu dürfen. Die Männer starrten ihn verblüfft an, dann brachen sie in grölendes Gelächter aus. Einer zog ihn auf einen Stuhl herunter, legte den Arm um seine Schulter und brüllte in Richtung der Bedienung.
»Der Jungspund möchte uns eine Runde ausgeben. Bring Bier, Weib!«
Die Truppe johlte vor Begeisterung. Icherios wagte nicht zu widersprechen und zählte im Geiste die Münzen, die er mitgebracht hatte.
Der Abend entwickelte sich für ihn zu einer einzigen Qual. Die Männer bestellten eine Runde nach der anderen auf seine Kosten, und obwohl er den Eingang ständig im Auge behielt, kam niemand herein, der ihm Beachtung schenkte. Endlich schlief der Erste aus der Runde laut schnarchend über seinem Bierkrug ein. Der Wirt, der die Vorgänge die ganze Zeit argwöhnisch beobachtet hatte, trat an ihren Tisch.
»Ihr solltet Euren Kumpel jetzt besser nach Hause bringen.«
Nach anfänglichen Protesten stand die Gruppe auf, zog ihren trunkenen Freund auf die Beine und schleifte ihn nach draußen. Icherios drückte dem Wirt einige Münzen in die Hand. Dieser biss auf jede Einzelne, ging zu seinem Tresen und kam mit einem Glas Schnaps zurück, das er vor den jungen Gelehrten stellte.
»Ihr solltet eine Weile warten, bevor Ihr geht. Ansonsten nehmen sie Euch auch noch den letzten Taler ab.«
Icherios nickte schaudernd.
»Kommt besser nicht wieder, und sagt Euren Studentenfreunden, dass ich diese Mutproben nicht mehr dulde.«
Der junge Gelehrte nickte wieder. Es war gut, dass der Wirt ihn für einen einfachen Studenten hielt. Einige Zeit später gab der Gastwirt ihm einen Wink, dass er nun gehen könne, woraufhin er schnell auf die Straße eilte. Enttäuscht atmete er die kalte Nachtluft ein. Warum hatte Franz ihn in die Irre geführt?
Der
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