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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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Stuhl saß. Eine Gespielin? Etwas mager, kalter Blick, umwerfendes Gesicht – von der Bettkante würde er sie nicht stoßen. Verflucht, denk wie ein Priester! Doch warum starrte sie ihn so entsetzt an? Er blickte an sich hinunter. Hatte er aus Versehen seine Waffen angelegt? Nein, äußerlich entsprach er dem Bild eines Diakons. Und warum kam sie ihm so bekannt vor?
    »Fangen wir an«, krächzte der alte Knacker, nachdem er die Frau als Gismara Marlewag vorgestellt hatte. War sie eine Verwandte? Immerhin schien sie sich wieder beruhigt zu haben.
    »Wie Ihr wisst, läuft meine Zeit auf Erden ab.«
    Die Frau legte ihm eine Hand auf den Arm, entweder war sie eine gute Schauspielerin, oder die Tränen in ihren Augen waren echt.
    »Meine Wünsche für die Bestattung wurden bereits festgehalten, alles ist organisiert, nur eine Sache gilt es noch zu klären. Ich möchte sowohl eine christliche Zeremonie als auch eine, die im Namen der Göttinnen abgehalten wird.«
    Gismara atmete tief ein, ängstlich schielte sie zu Silas hinüber. Musste sie fürchten, direkt zu einem Scheiterhaufen gezerrt zu werden?
    »Natürlich würde ich es entsprechend honorieren, meine nichtsnutzigen Verwandten enterben und mein Vermögen der katholischen Kirche zu Heidelberg überlassen.« Er tätschelte die Hand der Frau. »Ich weiß, dass Ihr mein Geld ohnehin nicht annehmen würdet.«
    Der Hexenjäger wusste nicht, ob er verärgert oder amüsiert sein sollte über das Angebot des Alten. Sich auf diese Weise doppelt für das Nachleben abzusichern, war schon etwas dreist. Diese Marlewag starrte ihn verwundert an. Rasch brachte er sein Gesicht, auf das sich ein Lächeln gestohlen hatte, unter Kontrolle und zwang es zu einem Ausdruck der Empörung.
    »Euer Anliegen ist verwerflich, dennoch werde ich darüber nachdenken. Gottes Wege sind unergründlich.« Silas stand auf und ging zur Tür. »Vielleicht will der Herr, dass Euer Wunsch erfüllt wird, um mit Eurer Zuwendung sein Werk auf Erden zu vollbringen. Ich werde um Erkenntnis beten.« Hör sich das einer an! Er wurde immer besser.
    Der alte Knacker verzog angewidert das Gesicht, wodurch er in dem Hexenjäger einen Funken Sympathie erweckte. Trotzdem achtete er darauf, seine wahren Gefühle nicht zu zeigen, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte, und sich bei dem Gedanken, was August zu diesem Anliegen zu sagen hätte, ein breites Grinsen gönnte. Das Rascheln von Röcken erklang, dann trat Gismara ebenfalls in den Gang. Dieses Weib sollte also eine Zeremonie im Namen der Göttinnen abhalten. Asche auf sein Haupt, wenn sie nicht zu dem Hexenzirkel gehörte.
    »Tut Ihm bitte diesen Gefallen.« Sie blickte ihn flehentlich an. Was für wunderschöne, blaugrüne Augen.
    »Tief in seinem Herzen ist er ein guter Mann.«
    »Dann soll er sich vollkommen in Gottes Hände geben.« Silas fand es köstlich, die angebliche Hexe mit seiner vorgetäuschten Gläubigkeit herauszufordern.
    »Wenn Gott barmherzig ist, so sollten es seine Jünger ebenfalls sein und einen alten Mann in Frieden sterben lassen.«
    »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr«, rezitierte der Hexenjäger.
    »Was seid Ihr nur für ein Heuchler.«
    Silas starrte sie überrascht an. Das war leichter gewesen, als er gedacht hatte. Aber wenn sie sich so schnell provozieren ließ, war sie vermutlich eine echte Hexe, die ausreichend Mut und Macht besaß, um sich mit einem Pfaffen anzulegen. Äußerst interessant.
    »Ich bin ein treuer Diener meines Herrn.«
    »Ich habe Euch wiedererkannt.«
    Der Hexenjäger erblasste. Wusste sie um seine wahre Identität? Wie hatte sie es herausgefunden?
    »Ihr seid so blind! Nur weil ich keine Maske trage, erkennt Ihr die Frau nicht, mit der Ihr geschlafen habt?«
    Die rote Witwe! Silas war erleichtert und schockiert zugleich. Das verkomplizierte die Situation erheblich. Er verfluchte sich, sie nicht sogleich an dem energischen Kinn und den Augen, die so viel von ihren Gefühlen preisgaben, erkannt zu haben.
    »Ich kann ein Geheimnis für mich behalten, aber dafür erfüllt Ihr ihm seinen letzten Wunsch.« Ihre Stimme war kalt und schneidend.
    Weiber, sie brachten nichts als Ärger, Hexe oder nicht! Er brauchte Eisen! Verdammt, warum gab es nie Eisen, wenn man es benötigte? Er blickte zum Kamin. Der Schürhaken! »Lasst uns einen Schritt zur Seite gehen.« Er senkte die Stimme und bemühte sich verlegen zu wirken. »Die Türen sind dünn.«
    Sie fiel auf den Trick herein und folgte ihm.

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