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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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einen Papierfetzen: kubi derry, morry, moray, kobadara und weitere.
    Das wird eine verdammt schwierige Suche, dachte er.
    Als er schließlich den Heimweg einschlug, weckte ein Mann auf der Rückbank des Autobusses seine Neugier, auch wenn er nicht sagen konnte, weshalb. Billy versuchte, sich darüber klar zu werden, was die Ursache war. Aber er konnte nichts Genaues erkennen.
    Der Mann war kräftig gebaut und breitschultrig. Auf dem Kopf trug er eine Kapuze, und er blickte ständig nach unten. Wann immer Billy sich zu ihm umdrehte, beugte er sich nach vorne und wandte das Gesicht dem Fenster zu. Alles, woran sie vorbeikamen, schien Billys Aufmerksamkeit abzulenken.
    Ihm war, als würden ihn alle nachtaktiven Tiere und die Gebäude der Stadt und sämtliche Passanten beobachten. Ich muss dieses Gefühl abschütteln, dachte Billy. Aber die Dinge hätten sich auch nicht so anfühlen dürfen. Er musterte einen Mann und eine Frau, die soeben eingestiegen waren. Er stellte sich vor, dass das Paar geradewegs durch die Sitzbank hinter ihm huschen und nicht mehr zu sehen sein würde.
    Ein Taubenschwarm überschattete den Bus. Eigentlich sollten die Vögel längst schlafen. Sie flatterten auf, sobald der Bus anfuhr, und landeten, wenn er stoppte. Er wünschte sich, er hätte einen Spiegel bei sich, sodass er dem Mann auf der Rückbank vielleicht ins Gesicht schauen konnte, ohne sich umdrehen zu müssen.
    Sie befanden sich auf dem Oberdeck noch über den grellsten Neonlampen von Zentral-London, in Höhe der Baumwipfel und der Fenster im ersten Stock und der Straßenschilder. Die hellen Zonen waren ihrer ozeanischen Ordnung entrissen und stiegen hinauf in die Dunkelheit, anstatt in sie hineinzusinken. Die Straße, in der Lampen brannten und die zusätzlich von der Beleuchtung der Schaufenster erhellt wurde, war der seichteste und hellste Ort. Der Himmel war der Abgrund, markiert durch Sterne, die wie Biolumineszenz erschienen. Auf dem Oberdeck des Busses befanden sie sich am Rand der Tiefe, in den Ausläufern der dysphotischen Zone, wo leere Büros kurz auftauchten und verschwanden. Billy schaute nach oben und hatte das Gefühl, in einen Tiefseegraben zu blicken. Der Mann hinter ihm schaute ebenfalls hoch.
    An der nächsten Haltestelle, die nicht seine war, wartete Billy, bis die Türen sich geschlossen hatten, ehe er von seinem Platz aufsprang, die Stufen hinunterrannte und dabei rief: »Moment, Moment, tut mir leid!«
    Der Bus ließ ihn auf dem Bürgersteig zurück und tauchte in die Dunkelheit wie ein Unterseeboot. Billy sah, wie ihn der Mann durch das schmutzige Fenster am Ende der oberen Etage direkt anstarrte.
    »Scheiße«, sagte Billy. »Scheiße.«
    Er riss seine Hand abwehrend hoch. Die Scheibe bog sich, und der Mann wurde nach hinten geworfen, als der Bus sich entfernte. Billys eigene Brille zitterte auf seinem Gesicht. Er gewahrte hinter dem Fenster und dem Riss, der es plötzlich zerteilte, keine Bewegung. Der Mann, den er gesehen hatte, war Dane Parnell.

4
    Billy blieb in dieser seltsamen Nacht lange wach. Er zog die Vorhänge seines Wohnzimmers zu, da er sich einbildete, dass das widerwärtige Eichhörnchen ihn beobachtete, während er auf seinem Laptop herumtippte. Warum sollte Dane ihn verfolgt haben? Und wie? Er versuchte zu denken wie ein Detektiv. Darin war er nicht sehr gut.
    Er könnte die Polizei benachrichtigen. Er hatte zwar nicht gesehen, dass Dane irgendein Verbrechen beging, aber dennoch. Er sollte es tun. Er könnte Baron anrufen, wie dieser es verlangt hatte. Aber trotz seines Unbehagens - man konnte es auch Angst nennen - wollte Billy das nicht tun.
    Sein gesamter Umgang mit Baron, Vardy und der Frau hatte etwas von einem Spiel an sich gehabt. Es war klar, dass man ihm etwas vormachte, dass ihm Informationen vorenthalten wurden, dass sie ihm keinerlei Bedeutung zumaßen außer der, dass er ihnen indirekt dabei behilflich war, ihre Pläne, wie immer die aussahen, in die Tat umzusetzen. Er wollte nicht in die Angelegenheit verwickelt werden. Oder, und oder, er wollte das Ganze selbst verstehen.
    Er schlief nur sehr wenig. Am Morgen fuhr er zum Darwin Centre und gelangte leichter hinein, als er es sich vorgestellt hatte. Die beiden Polizisten am Eingang zeigten kein übertriebenes Interesse, sondern warfen nur einen kurzen Blick auf seinen Ausweis. Sie unterbrachen seine sorgfältig konstruierte Geschichte, weshalb er sein Büro aufsuchen müsse, um irgendwelche wichtigen Angelegenheiten zu regeln,

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