Der Krake
haben mit ihm gesprochen?«, fragte die Polizistin plötzlich. Billy zuckte zusammen und starrte sie an. Sie verlagerte ihr Gewicht auf ein Bein. Sie redete schnell mit Londoner Akzent weiter. »Sie reden sehr viel, nicht wahr? Sie schwatzen über alles Mögliche, über das Sie eigentlich nicht reden sollten.«
»Was ...?«, sagte Billy. »Wir haben nicht mehr als zehn Worte miteinander gewechselt, seit er bei uns angestellt ist.«
»Was hat er davor gemacht?«, fragte Baron.
»Ich habe nicht die geringste Ahnung ...«
»Hören Sie mal, wie er quiekt!« Die Frau schien sich köstlich zu amüsieren.
Billy blinzelte. Er wollte gute Miene zum bösen Spiel machen, lächelte, versuchte, sie zu einem Lächeln zu animieren, und hatte keinen Erfolg. »Um ganz ehrlich zu sein«, sagte er, »ich mag diesen Kerl eigentlich nicht. Er ist ständig mies gelaunt. Er macht sich noch nicht mal die Mühe, jemanden zu grüßen oder auch nur ein freundliches Wort zu finden.«
Baron, Vardy und die Frau sahen einander vielsagend an. Sie kommunizierten mit gerunzelter Stirn und gespitzten Lippen und wiederholtem Kopfnicken.
Dann ergriff Baron das Wort. »Nun, falls Ihnen noch etwas einfallen sollte, Mr. Harrow, dann lassen Sie es uns bitte wissen.«
»Ja.« Billy schüttelte unwillkürlich den Kopf. »Ja, das tue ich.« Er hob die Hände als Zeichen, dass er sich geschlagen gab.
»Guter Mann.« Baron erhob sich. Er reichte Billy eine Visitenkarte, schüttelte ihm die Hand, als wäre seine Dankbarkeit aufrichtig gemeint, und deutete zur Tür. »Bleiben Sie in der Nähe. Es könnte sein, dass wir uns noch einmal unterhalten müssen.«
»Ja, das denke ich auch«, sagte die Frau.
»Was meinten Sie, als sie sagten, der Mann mit der Anstecknadel sei verschwunden?«, fragte Billy.
Baron zuckte mit den Schultern. »Alles und jeder verschwindet, nicht wahr? Nicht dass er wirklich ›verschwunden‹ wäre; das würde bedeuten, dass er tatsächlich dort gewesen ist. Ihre Besucher müssen sich eintragen und eine Telefonnummer hinterlassen. Wir haben jeden angerufen, den Sie gestern begleitet haben. Und der Gentleman mit dem Stern am Revers ...« Baron tippte auf die Zeichnung. »Ed, er hat am Empfang diesen Namen genannt. Richtig, Ed. Die Telefonnummer, die er nannte, steht nicht im Telefonbuch, und niemand hat abgenommen.«
»Dann schauen Sie mal schnell in Ihre Bücher, Billy«, sagte Vardy, als Billy die Tür öffnete. »Ich bin von Ihnen enttäuscht.« Er tippte auf den Zettel. »Schauen Sie mal nach, was Kooby Derry und Morry Ihnen zeigen können.« Die Aufforderung klang seltsam, aber die Worte kamen ihm irgendwie vertraut vor.
»Moment, was?«, fragte Billy von der Tür. »Was meinen Sie?« Vardy winkte ab.
Während der Fahrt in den Süden Londons versuchte Billy, die Begegnung zu analysieren. Es wollte ihm nicht gelingen. Er hatte nicht unter Arrest gestanden: Er hätte jederzeit gehen können. Billy holte sein Mobiltelefon heraus, um Leon sein Leid zu klagen, aber aus Gründen, die er nicht in Worte fassen konnte, verzichtete er auf den Anruf.
Er kehrte aber auch nicht direkt nach Hause zurück. Getrieben von dem untrüglichen Gefühl, dass er beobachtet wurde, fuhr Billy ins Stadtzentrum. Dort wanderte er von Buchladencafé zu Buchladencafé, wühlte sich durch Stapel von Büchern und trank eindeutig zu viel Tee.
Er besaß kein Mobiltelefon mit Internetzugang und hatte auch keinen Laptop bei sich, darum konnte er seine Vermutung nicht überprüfen, dass ungeachtet seiner eigenen Indiskretion am Vortag das Verschwinden des Kalmars kein Thema in den Nachrichten war. Die Londoner Zeitungen brachten jedenfalls nichts darüber. Er aß nichts, obgleich er lange genug unterwegs war. Es waren Stunden, die er umherirrte, bis die meisten Firmen Feierabend machten, bis es Abend wurde und die Nacht hereinbrach. Im Grunde tat er nichts anderes, als nachzudenken und dabei zunehmend frustrierter zu werden. Er verzichtete auch darauf, im Darwin Centre anzurufen, stattdessen grübelte er nur über eine Erklärung für den Vorfall.
Was ihm immer wieder durch den Kopf ging und während dieser Stunden zunehmend an ihm nagte, waren die Namen, die Vardy genannt hatte. Billy war sich absolut sicher, dass er sie schon mal gehört hatte und dass sie für ihn eine Bedeutung hatten. Er bedauerte, bei Vardy nicht intensiver nachgehakt zu haben, obwohl er nicht einmal wusste, wie sie geschrieben wurden. Billy kritzelte mögliche Buchstabenfolgen auf
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