Der Krake
Atlantis, Tyno Helig. Sie ehrten ihre Propheten: Kröhl und Monturiol, Athanasius, Ricou Browning und John Cages Vater. Sie zitierten Ballard und Garrett Serviss. Sie dankten dem Tsunami und feierten das Schmelzen des satanischen Polareises, das ihr Wasser wie zum Hohne in eisiger Erstarrung hielt. Für sie war es eine heilige Mission, so weit und so oft wie möglich zu fliegen, um die Kohlendioxidemissionen zu maximieren. Und sie platzierten heilige Helfer an Orten, an denen sie eines Tages vielleicht dazu beitragen konnten, die Flut voranzutreiben.
Wie diese kleine Zelle, die an dem auf den ersten Blick wohl blasphemischsten Ort arbeitete, einem Ort, der der Abwehr von Fluten diente. Sie warteten auf den rechten Augenblick. Sie wehrten alberne kleine Fluten ab und warteten auf die richtig Große. Und wenn dieser letzte Sturm losbrach, wenn diese grandiose Woge aus der Tiefe emporstieg, dann, erst dann würden sie ihre Schraubenschlüssel ins Getriebe werfen. Und wenn das Wasser die Straßen verschlossen hätte wie eine Hokusai-Klappe, dann würde die Bruderschaft der Gesegneten Flut endlich in dem untergegangenen London leben dürfen, von dem sie träumte.
Und nun ihre Botschaft. Es war das Ende der Welt, jeder wusste das ... vielleicht, so dachten sie, war es ihr Ende.
»Sie können sich glücklich schätzen, dass Ihnen bisher noch niemand Ärger gemacht hat«, sagte Marge und befreite sich aus seinem Griff. »Ich hatte bis vor wenigen Tagen noch nie von Ihnen gehört. Jemand sagte, Sie sprächen für die See. Und vielleicht haben Sie den Kraken. Sie wissen, wovon ich rede. Ich muss wissen ... Jemand, der irgendetwas mit diesem verdammten Ding angestellt hat, hat etwas mit meinem Mann angestellt.«
»Sie haben Mumm«, erwiderte er. »Was nicht heißen soll, dass Sie einen Freibrief bekommen. Aber Sie haben was.«
»Ich hab's euch ja gesagt«, sagte ein anderer. »Alles verkorkst.«
»Das ist kein Mumm«, antwortete sie. »Es ist nur, weil ich so erschöpft bin und weil ich ihn geliebt habe. Er war ein Freund von Billy Harrow ... Billy Harrow«, wiederholte sie, als sie seine Reaktion bemerkte. Der Mann drehte den Kopf von einer Seite zur anderen und sah sich zu seinen Begleitern um.
»Harrow«, sagte er. »Harrow? Der hat den Kraken, dachte ich. Das habe ich jedenfalls gehört. Er ist so was wie der Prophet des Kraken. Er ist mit Dane Parnell gegangen, als der vor den Krakenisten geflohen ist. Mit denen müssen Sie reden. Das sind die, die den Kraken haben.«
»Nein, das sind sie nicht.« Sie starrten einander an.
»Dane hat seine Kirche verlassen, als der Krake verschwunden ist, um sich Harrow anzuschließen. Wenn das also was mit Ihrem Typen zu tun hat ...«
»Ich sage Ihnen doch«, beharrte sie, »dass es so nicht gewesen ist. Ich weiß nichts über Parnell. Ich weiß nicht viel über irgendwas, aber Billy Harrow hat den Kraken nicht gestohlen. Ich habe mit ihm Pizza gegessen.« Bei diesen Worten musste sie lachen. »Und ich weiß, dass er es nicht war. Ich glaube so oder so, dass er tot ist. Und wenn er gewusst hätte, wo Leon steckt, dann hätte er es mir erzählt ...« Sie klappte den Mund zu, als ihr die An-aus-an-aus-Straßenlaterne in den Sinn kam. »Er hätte es mir gesagt«, sagte sie schließlich, »wenn er gekonnt hätte.«
Der Mann und seine Freunde steckten die Köpfe zusammen. Marge wartete, während sie sie leise debattieren hörte.
»Denken Sie«, fügte sie plötzlich zu ihrer eigenen Überraschung hinzu, »dass ich mich mit Ihnen herumärgern würde, wenn ich eine andere Wahl hätte?« Sie blinzelten sie an. »Ich will das alles nicht, ich will diesen ganzen Mist nicht. Ich glaube Ihren Scheiß nicht. Ich will keine ersoffene Welt, und ich will keinen Kraken als König des Universums, und ich will nicht in so eine verrückte Scheiße hineingezogen werden, und ich glaube nicht einmal, dass ich Leon je wiedersehen werde. Ich bin nur müde, und wie es aussieht ...« Sie zuckte mit den Schultern - wer weiß? »Wie es aussieht, muss ich herausfinden, was passiert ist. Und Sie erzählen mir, Sie haben keine Ahnung, was da vorgeht? Wozu sind Sie eigentlich gut?« Sie brach beinahe in Tränen aus, aber nicht aus Schwäche oder Weinerlichkeit, sondern aus purem Zorn.
»Wer auch immer Ihnen von uns erzählt hat«, sagte der Mann und zögerte. »Diese Leute wissen nicht, wovon sie reden. Wir repräsentieren die See nicht. Auf keinen Fall. Wie könnten wir? Das ist eine
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