Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville

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der Teuthex wollte«, verkündete er.
    Es war keine Geste, mit der er sich in seinen letzten Augenblicken seinem Gott hatte näherbringen wollen. Tatsächlich wickelte sich nun ein Abschnitt des Altars ab, und Dane klappte langsam die Metallfront herab.
    Dahinter war Glas. Und hinter dem Glas standen präparierte Objekte. Krakenrelikte. Billy keuchte, als das, was er sah, in seinem ganzen Ausmaß einen Sinn ergab. Der Altar war etwa brusthoch, und das, was ihn beinahe vollständig ausfüllte, war ein Schnabel.
    Er hatte diese Form schon so viele Male zuvor gesehen. Vage papageienschnabelförmig mit einer extravaganten, gefährlichen Krümmung. Aber der größte Schnabel, den er je gesehen hatte, hätte in seine Hand gepasst, und der hatte schon zu einem Architeuthis von annähernd zehn Metern Länge gehört. Dieses Maul reichte vom Boden bis zu seinem Sternum. Geöffnet wäre es groß genug, ihn im Ganzen zu verschlingen. Und wenn diese Chitinkanten aufeinandertrafen, so konnten sie Baumstämme durchtrennen.
    »Es wird mich beißen«, sagte Dane mit träumerischer Stimme. »Nur ein Haps. Gerade genug, Blut fließen zu lassen.«
    »Was? Was sagst du, Dane? Warum?«
    »Das ist alles, was geblieben ist. Wir sind das letzte Aufgebot.«
    »Aber warum?«
    »Damit wir angreifen können.«
    »Was?«, fragte Billy, und Dane erzählte es ihm.
    Verteidiger der letzten Stunde waren nichts Neues, und es waren immer Bergentrückte. Der Golem von Prag - auch wenn das vielleicht ein schlechtes Beispiel war, hatte er doch seinen Weckruf erbärmlich verschlafen. Jede der Londoner Sekten hatte ihre eigenen Schöpfungen, ihre eigenen geheimen Geister, ihre eigenen schlafenden Paladine, die dann eingreifen würden, wenn der Minutenzeiger in die Vertikale ging. Die Krakenisten hatten ihre Berserker. Aber die Kämpfer, die sich freiwillig gemeldet hatten und für diese heilige letzte Pflicht erwählt worden waren, hatten alle schon nicht mehr gelebt, als der Teuthex sie rufen wollte. Also musste das letzte Krakencorps aus den Reihen der Kirchenverwaltung, der Buchhalter, der Funktionäre, der Reinigungskräfte und der ganz gewöhnlichen Gläubigen aufgebaut werden.
    Was war Krakendasein anderes als unbegreiflich? Warum sollte solch eine Gottheit die verstehen, die sich in ihrem Glorienschein verbeugten? Warum sollte sie irgendetwas geben? Irgendetwas?
    Dass sie nicht nach einer Gegenleistung verlangten, so dachten die Gläubigen, war das, was ihre Religion von der habgierigen abrahamitischen Triade und ihrem Quid-pro-quo unterschied, ich nehme dich in den Himmel auf, wenn du mich anbetest. Aber auch der Krake versprach eine Umwandlung auf Basis eines Zusammentreffens von Anbetung, Toxin und Glauben.
    »Zwanzig Krakengebissene sind nicht nichts. Es liegt jetzt an uns. Wir müssen die Nacht herbeibringen«, sagte Dane. »Wir müssen sie herbeibringen und beherrschen. Und wir sind nicht allein, nicht wahr? Da sind noch die Londonmantiker und die Londoner Antikörper. Die werden jammern und wehklagen, aber herrje. Wir jedenfalls werden kämpfen, also haben sie nur diese eine Wahl. Sie können dabei sein, oder sie können versuchen zu verschwinden. Und viel Glück dabei. Scheiß auf Fitch, rede mit Saira, die macht mit.«
    »Warum sagst du mir, dass ...« Billy brach ab. »Du glaubst wirklich, du kannst es mit Grisamentum aufnehmen?«
    »Gönn uns doch diesen letzten Kreuzzug.«
    »Du denkst, damit können wir gewinnen? Du denkst, wir können ihn schaffen?«
    »Jetzt komm schon«, sagte Dane.
    Billy hatte einen gewissen Einblick in die Regeln erhalten, auf denen Situationen dieser Art beruhten. Er zögerte, aber es gab kein Entkommen vor dem, was er zu wissen glaubte.
    »Das ...«, fing er an. »Es wird dich das Leben kosten, nicht wahr?«, fragte er mit leiser, ruhiger Stimme und deutete auf den Schnabel.
    Dane zuckte mit den Schultern, und für einige Sekunden sagte keiner von ihnen ein Wort.
    »Es wird uns verändern«, erklärte Dane schließlich. »Ich weiß es nicht. Wir waren nicht dazu vorgesehen, als Gefäße für diese Art der Macht zu dienen. Trotzdem ist das ein ehrenvoller Abgang.«
    Billy suchte nach Worten. »Dane ...« Er starrte die unfassbar großen Beißwerkzeuge an. »Ich bitte dich, tu das nicht.«
    »Billy.«
    »Ernsthaft, du kannst nicht ... du musst ...« Dane verströmte nicht gerade ein hohes Maß irrer Leidenschaft. Okay, abgesehen von den unfassbaren Fakten hinsichtlich dessen, was er getan hatte und warum er es