Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
einer kleinen Fischerfigur, die eines der Kinder der Kirchgänger aus Toilettenpapier und Watte gebastelt und auf die Fensterbank gelegt hatte. Er musterte Billy aus seinen Pennyaugen.
    »Hast du das gehört, Wati? Kannst du zu ihr?« Billy bemühte sich um einen ruhigen Ton, aber es war dringend für ihn. »Wir müssen herausfinden, ob das echt ist. Ob es wirklich sie ist. Sie hat vielleicht keine Ahnung, wo sie reingeraten ist, und dieser Name verrät, dass es entweder sie ist oder jemand, der sie ausgehorcht hat.«
    »Was hat er vor?«, fragte Dane. »Warum setzt sich Paul - oder das Tattoo - unnötiger Aufmerksamkeit aus? Er muss doch wissen, dass jeder von Griz bis hin zu Goss und Subby auf der Suche nach ihm ist.«
    »Er will was. Das sagt sie ja. Aber wenn wir hinkommen, hält er ihr vielleicht ein Messer an die Kehle«, meinte Billy. »Er wird nicht unvorbereitet mit uns verhandeln. Vielleicht ist sie seine Geisel. Vielleicht ist sie das und weiß es nicht einmal.« Billy und Dane blickten einander an.
    »Als Paul geflohen ist, sah er nicht so aus, als wäre er imstande, viel zu tun«, sagte Saira.
    »Wati, kannst du zu ihr?«, fragte Billy wieder.
    »Da gibt es vielleicht gar keine Körper für mich«, entgegnete Wati.
    »Sie hat eine Puppe in ihrem Wagen. Und sie trägt ein Kruzifix«, sagte Billy. Kurz trat Stille ein.
    »Wati«, merkte Dane schließlich an, »Du musst dich mal reden hören. Du hörst dich spröde an.«
    »Ich versuche es«, sagte Wati und war fort. Humpelte quer durch London von einer Figur zur nächsten.
    Fitch sagte, sie sollten sich verstecken. Ein Londonmantiker, offenbar ganz schwindelig in Anbetracht der eigenen Ketzerei, schlug vor, sie sollten die Stadt verlassen.
    »Fahren wir einfach!«, forderte er. »Nach Norden. Schottland oder so!« Aber es gab keine Gewissheit, dass beispielsweise Fitch, der so sehr eine Funktion der Stadt darstellte, außerhalb ihrer Grenzen allzu lange würde überleben können. Billy stellte sich vor, er wäre auf der Landstraße und würde sich allmählich an das unschöne Schwanken des Aufliegers gewöhnen, während sie den präparierten Kalmar durch die feuchte englische Landschaft und hinauf in die schottischen Berge beförderten.
    »Griz würde uns binnen zehn Sekunden aufspüren.« Das würde er. Etwas an der Umgebung, an den Mauern und den Abzweigungen hielt sie im Verborgenen, auch wenn das letztendlich eine Falle war. Die Stadt krümmte sich gerade weit genug, dass die Londonmantiker außer Sichtweite bleiben konnten. Ein organischer Reflex.
    Würden Sie jedoch die Stadt verlassen, wären sie ungeschützt. Ein Riesenkalmar in einem Laster, der inmitten einer Heckenlandschaft gen Norden fuhr. Zum Teufel, jedes reizempfängliche Wesen im Umkreis von zehn Meilen musste auf sie aufmerksam werden.
    »Wir machen es auf diese Art«, sagte Billy. »Auf Danes Art.« Er sah ihn nicht an. »Denn er wird seine Meinung nicht ändern, und wir können, wenn wir es auf seine Art machen, aufhören, darüber zu rätseln, ob dies die letzte Nacht ist, weil wir dann wissen werden, dass sie es ist. Außerdem wird Dane sich so oder so nicht aufhalten lassen, ganz gleich, was wir anderen tun.«
    Saira war auf seiner Seite - sie gehörte zu den Kriegern. Er sah ihr an, dass sie Angst hatte, dennoch hatte sie sich so entschieden. Die Krise zwang selbst die Londonmantiker zu demokratischen Entscheidungen. Billy lächelte Saira zu, und sie schluckte und erwiderte sein Lächeln.

71
    Umgeben von Verpackungsmüll rutschten Marge und Paul auf ihren Sitzplätzen hin und her. Sie saßen schon sehr viele Stunden im Auto. Marge lud den iPod auf und bemühte sich, dem zunehmend nervenaufreibenden Getriller ihres Beschützers auch weiter mit stoischer Ruhe zu begegnen.
    »Was hören Sie da?«, fragte Paul sie schließlich, wofür er lange genug gebraucht hatte. Sie ignorierte die Frage. Sie stopften sich mit leeren Kalorien voll und rutschten auf ihren Plätzen unter die Fensteröffnung, wann immer sie glaubten, jemanden herankommen zu hören. Das kam nicht häufig vor. Den Rest der Zeit drückte Paul den Rücken fest an die Lehne seines Sitzes, als hätte ihn ein Insekt gebissen.
    »Wie sind Sie da reingeraten?«, fragte Marge. Vielleicht, so überlegte sie, war er besser zu verstehen, wenn er sich beruhigt hatte.
    »Ich wurde schon vor Jahren in all diesen Kram verwickelt.« Mehr wollte er nicht sagen.
    Weitere Stunden vergingen. Doch inzwischen war es, als hätte Marge nie

Weitere Kostenlose Bücher