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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Universalgelehrten namens Faraday; lasen Feynmans schmerzhaft traurigen Brief an seine verstorbene Frau; beschrieben Edisons Großtuerei; priesen Curie und Bogdanow als Märtyrer ihrer eigenen utopischen Forschungen. Steenstrup war Mitglied dieser verwegenen Gemeinschaft gewesen.
    Vardy redete, als könne er tatsächlich Steenstrups Auftritt sehen. Als hätte er dieses schwarze waffenähnliche Ding, das Steenstrup aus dem Glasbehälter geholt hatte, vor Augen. Diesen Teil eines Meerungeheuers, eher ein fremdartiges Werkzeug als ein Mundorgan. Konserviert, wertvoll, sinnfällig wie der Fingerknochen eines Heiligen. Egal was er behauptet hatte, Steenstrups Flasche war eine Reliquie gewesen.
    »Dieser Artikel«, sagte Vardy, »stellt einen Wendepunkt dar. Unter einem speziellen Aspekt ist er es durchaus wert, dass man die Gesetze übertritt, um ihn in seinen Besitz zu bringen. Denn es ist ein heiliger Text. Ein Evangelium.«
    Billy schüttelte den Kopf. Er hatte das Gefühl, als klingelten seine Ohren.
    »Und das«, stellte Baron hörbar amüsiert fest, »ist, wofür der Professor bezahlt wird.«
    »Was unsere Diebe getan haben, ist eine Bibliothek aufzubauen«, sagte Vardy. »Ich gehe mit Ihnen jede Wette ein, dass während der letzten Monate ebenfalls Texte von Verrill und Richie und Murray und anderen gestohlen wurden, Sie wissen schon, klassische teuthische Literatur.«
    »Mein Gott«, sagte Billy. »Woher wissen Sie so viel darüber?«
    Vardy wischte die Frage - im wahrsten Sinne des Wortes mit der Hand - weg wie ein lästiges Insekt.
    »Das ist seine Art«, antwortete Baron. »Von Null auf Guru in achtundvierzig Stunden.«
    »Können wir weitermachen?«, fragte Vardy.
    »Gerne«, sagte Billy. »Glauben Sie, dass diese Sekte das Buch geklaut, den Kalmar weggeschafft und diesen Mann getötet hat? Und dass sie es jetzt auf mich abgesehen hat?«
    »Habe ich das gesagt?«, fragte Vardy. »Ich kann nicht mal mit Sicherheit behaupten, dass diese Kalmaris irgendetwas getan haben. Irgendwie passt das alles nicht zusammen, um ehrlich zu sein.«
    Billy reagierte darauf mit einem freudlosen Lachen. »Ach nein, glauben Sie das wirklich?«, fragte er sarkastisch.
    Vardy ignorierte ihn und fuhr fort: »Aber es hat auf irgendeine Weise mit ihnen zu tun.«
    »Ich bitte Sie«, sagte Billy. »Das ist doch völlig bescheuert.« Beinahe verzweifelt: »Eine Religion um Kalmare?«
    Der kleine Raum kam ihm wie eine Falle vor. Baron und Vardy beobachteten ihn. »Beruhigen Sie sich«, sagte Vardy. »Man kann an alles glauben. Letztendlich ist alles verehrungswürdig.«
    »Wollen Sie etwa behaupten, das wäre alles nur Zufall?«, fragte Baron.
    »Ihr Kalmar ist doch verschwunden, oder?«, fügte Vardy hinzu.
    »Und niemand beobachtet Sie«, sagte Baron. »Und niemand hat diesem armen Teufel unten im Keller irgendeinen Schaden zugefügt. Es war ein Selbstmord per Flasche.«
    »Und Sie ...« Vardy fixierte Billy. »Sie haben nicht das Gefühl, dass mit dieser Welt irgendetwas nicht stimmt. Ach, Sie fühlen es doch, nicht wahr? Ich verstehe. Dann wollen Sie sicher mehr hören.«
    Stille. »Wie haben sie es getan?«, fragte Billy.
    »Manchmal kann man sich auf der Suche nach dem Wie festfahren«, sagte Baron. »Manchmal geschehen Dinge, die nicht geschehen sollten, und man darf sich davon nicht ablenken lassen. Aber was das Warum? betrifft, damit können wir weiterkommen.«
    Vardy schritt zum Fenster. Vor dem hellen Viereck war er nur ein schwarzer Schattenriss. Billy konnte nicht erkennen, ob Vardy ihn ansah oder aus dem Fenster blickte.
    »Es geht immer um Weihrauch und Klingeling«, kam es aus Vardys unsichtbarem Mund. »Es ist immer etwas Hochkirchliches. Sie könnten ... der Welt entsagen« - er ließ sich diese pompöse Phrase auf der Zunge zergehen - »aber bei Sekten wie diesen geht es immer um Rituale und Symbole. Das ist der Punkt. Nicht viele Sekten haben sich reformiert.« Er verließ seinen Platz vor dem Fenster. »Oder wenn sie es getan haben, hallo ihr armen Arschlöcher in der Freizone, findet gleich ein Tridentinum statt, und die alte Ordnung schlägt zurück. Sie brauchen wirklich ihre Sakramente.« Er schüttelte den Kopf.
    Billy ging zwischen Postern, trivialen Kunstwerken und Pinnwand-Botschaften von Kollegen, die er nicht kannte, auf und ab. Vardy sprach weiter.
    »Wenn man dieses Tier verehrt ... Ich will es mal einfach ausdrücken: Sie, Ihr Darwin Centre ...« Billy konnte die Verachtung in seinem Tonfall nicht

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