Der Krake
verunglimpft, ihre Namen herabgewürdigt, sie verspottet, geschlagen, verhöhnt wurden, einen Gegenpart der Rohheit für einen Moment gerade jetzt, für einen Augenblick, der niemanden retten mochte, der aber doch zuallermindest ein winziger Trost war, der auf ewig zu einem besseren Gefühl verhelfen konnte ...
... erlebte Freude.
Paul sah Goss sterben.
»Was ist los? Was? Was ist hier los? Was? Was?«, fragte das Tattoo. Paul ignorierte es. Marge ignorierte es.
Sie sah regungslos zu und hielt sich den Kopf, dort, wo Goss ihr wehgetan hatte. Als Subby starb - als wäre er ein »er«, als wäre es mehr als eine Aufbewahrungsbox mit einem Gesicht - zerfiel er sogleich. Vermoderte erst bis zur Unkenntlichkeit, ehe sich diese Überreste ebenfalls auflösten, bis nichts mehr von ihm übrig war und nur das nicht mehr schlagende Herz eines Mannes zurückblieb, ein Herz, zu groß für Subbys Brustkorb.
Goss zerfiel nicht. Goss lag nur da wie der tote Mann, der er war.
»Tut mir leid«, sagte Paul schließlich zu Marge.
»Ich musste sein Vertrauen erringen«, erklärte er. »Er hätte Subby sonst nie allein gelassen.« Sie fixierten einander. Das Tattoo brüllte und war gezwungen, in die Dunkelheit des Parkplatzes zu starren, dorthin, wo nichts geschah.
»Was hast du getan?«, greinte das Tattoo.
»Ich wusste, sie würden mich finden«, sagte Paul. »Und ich hätte es nie mit ihm aufnehmen können. Etwas Besseres ist mir nicht eingefallen. Ich wusste, sie würden hören, was wir sagen, wenn wir es von hier abschicken, und ich wollte, dass sie uns belauschen und herkommen. Können Sie mir helfen, ihn zu bedecken? Ihn.« Er hob beide Arme. »Das Tattoo.«
Und weiter: »Ich wollte nicht, dass Wati etwas zustößt. Das tut mir leid. Ich dachte, Goss und Subby würden zuerst hier sein. Na ja, das waren sie, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass sie sich verstecken und abwarten, was passiert. Ich habe versucht, ihn dazu zu bewegen, von hier zu verschwinden.«
»Ich verstehe nicht«, sagte sie. »Gar nichts.«
»Ja. Tut mir leid. Ich erkläre es Ihnen, so gut ich kann.«
72
Sie wussten - Paul explizit, Marge auf Basis ihrer neu erworbenen Instinkte - dass das, soweit es London im Großen und Ganzen betraf, kaum das Ende der Geschichte sein konnte. Für sie jedoch war dies das Ende einer ganzen Epoche. Sie saßen da, wo sie sich hatten fallen lassen, redeten dann und wann, hockten aber meist nur da und atmeten die Goss-und-Subby-freie Luft. Paul trat Goss' Herz über den Betonboden.
Als Goss gestorben war, waren die Lichter in der Garage zweimal kurz düsterer geworden, nur um sofort wieder aufzuleuchten, ein Hipp-hipp-hurra dinglicher Freude. Farben veränderten sich, Schatten huschten umher, als die Gesandten verschiedener Fürstentümer - Selig, Unselig, Abselig, Paraselig - vorbeikamen und den Wahrheitsgehalt der sich schnell verbreitenden Gerüchte überprüften. Ein paar Geister, die Marge nicht sah, deren Regungen sie aber als eine bekümmerte Form von Wärme wahrnahm. Mit leisem Quieken huschte eine Schweinheit an ihr vorüber. Nicht lange danach hörten sie einen Wagen.
Ohne Sirene, aber mit kreisenden Lichtern, holperte ein Polizeifahrzeug die Rampe herab und auf sie zu. Drei Officers stiegen mit Gummiknüppeln, Pfefferspray und Tasern aus. Sie hatten mehr Waffen, als sie sicher greifen konnten. Ihre Furcht war unübersehbar. Nach einer kurzen Pause folgte ihnen mit elegantem Schwung, Kleider und Haare schüttelnd, Rauch aus dem Mundwinkel verströmend und den Kopf ein wenig zur Seite geneigt, prachtvoll wie Boudicca, eine Frau: Collingswood.
Sie starrte Paul an und zog den Taser von ihrem Gürtel. Sie sah Marge an, zog eine Braue hoch, und nickte ihr zu. Sie zwitscherte und pfiff und strich mit der Hand durch die Luft, als streichelte sie den Kopf eines Schweinchens.
Collingswood schmatzte trocken. »Scheiße, Scheiße, Scheiße«, flüsterte sie und lächelte ein ganz und gar großartiges Lächeln. »Es ist wirklich wahr. Ihr habt es wirklich getan. Ich will doch verdammt sein. Endlich. Meine Güte! Ein paar gute Nachrichten können wir heute Nacht wirklich brauchen.«
»Ich habe Ihnen ja gesagt, um mich herum geht etwas vor«, sagte Marge.
»Und nun schau einer an«, erwiderte Collingswood. »Klopf mir doch einer auf die nichtsnutzigen Finger, dass ich die Sache falsch eingeschätzt habe. Sie sind's.« Das sagte sie zu Paul. »Na ja, ich meine nicht Sie, sondern Sie. Ich will verdammt sein, wenn
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