Der Krake
ich wüsste, was heute Nacht eigentlich los ist, aber man tut eben, was man kann, nicht wahr? Also los.« Sie winkte den beiden zu, sich in Bewegung zu setzen. Beide gehorchten.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Marge. Sie hörte sich sanft an, nicht wütend, eher neugierig.
»Geben Sie mir eine Minute Zeit, dann fällt mir ein ganzer Haufen von Dingen ein, derer ich Sie beschuldigen könnte«, sagte Collingswood. »Des Pudels Kern ist, Sie kommen mit mir. Wenn ich schon da bin, kann ich wenigstens ein bisschen was aus dem Durcheinander bergen. Sie auch.« Sie sah Paul an. Er wirkte recht kleinlaut und schaute von einer Seite zur anderen, als würde ihn etwas Unsichtbares umkreisen. »Ich will keinen Ärger. Weder mit Ihnen, noch mit, Sie wissen schon, Ihrem Passagier. Scheiße auch, wollt ihr nicht auch aus diesem ganzen Mist raus?«
Ja, dachte Marge. Wirklich. Collingswood nickte ihr zu. Die Polizistin musste ihre besonderen Fähigkeiten nicht bemühen, um diese Antwort zu erfassen. »Also, dann kommen Sie«, sagte sie. »Sie verdammte Heldin.«
Paul ließ die Schultern hängen und ging ebenfalls in Richtung Streifenwagen, doch dann rannte er plötzlich an Collingswood und ihren herumtappenden Officers vorbei zum Ausgang. Unterwegs versetzte er ihr einen Stoß. Sie stolperte und ließ die Zigarette fallen.
»Verdammter unartiger Schlingel«, brüllte sie. »Schockt den Mistkerl.« Einer der Beamten verfehlte sein Ziel, aber ein anderer erwischte Paul mit den stromspeienden Drähten am Rücken, direkt an dem nicht sichtbaren Tattoo. Paul kreischte und stürzte unter Krämpfen zu Boden.
»Aufhören, aufhören!«, schrie Marge. »Wisst ihr nicht, wer er ist? Wisst ihr nicht, was er ...? Er kann es nicht länger ertragen, eingesperrt zu sein. Darum ...«
»Buhu«, machte Collingswood. »Sehe ich aus, als würde mich das einen Scheißdreck interessieren?« Sie stand über Paul, der um Atem rang. Tatsächlich sah sie aus, als würde es sie schon einen kleinen Scheißdreck interessieren. Ihre Miene drückte nicht direkt Bedauern aus, eher so etwas wie besorgte Verärgerung, so, als wäre das Papier im Kopierer ausgegangen.
»Niemand hier will Ihnen was«, sagte sie zu ihm. »Wie wäre es also, wenn Sie damit aufhören?« Ein schweineartiger Schrei aus Dimensionen, nahe genug, dass Marge ihn hören konnte, dann Stille. »Jetzt haben Sie Perky verjagt«, sagte Collingswood. »Bringt ihn in den Wagen«, brüllte sie ihre Männer an. »Wenn es morgen noch ein London gibt, sehen wir weiter.«
All die Bullen mühten sich mit der ganzen Agilität eines Grundpfeilers ab, Paul zum Wagen zu schleifen. Marge kam in den Sinn, dass sie flüchten könnte, doch diesem Gedanken folgte sogleich die Gewissheit, dass sie es nicht tun würde. Sie folgte den Polizisten, wie man es ihr gesagt hatte.
Die Verhaftung, die Einladung war geradezu verlockend. Nach all der Arbeit, die sie geleistet hatte, nach allem, was sie erlebt hatte, mochte jemand anderes vor einem Tee und einer Arrestzelle in Polizeigewahrsam davonlaufen. Ich, dachte Marge, als sie sich zurücklehnte und Pauls herabhängendem Kopf ihre Schulter als Kissen darbot, ich bin verdammt müde.
»Ihr zwei geht zu Fuß zurück«, wies Collingswood zwei ihrer Polizisten an. »Ich habe nur noch Platz für eine weitere Person. Ich hatte nicht mit Festnahmen gerechnet. Und da Baz einen Treffer gelandet hat, steht er an erster Stelle.« Die beiden anderen grummelten verärgert. »Scheiße, was seid ihr für Jammerlappen. Seht es doch mal von der schönen Seite: Morgen früh seid ihr beide aus der Geschichte gebrannt worden, also was soll's, richtig?« Sie stieg ein. »Baz, Revier. Bringen wir unsere kleinen Schützlinge unter und sehen, was sonst noch so läuft.«
Ich bin wirklich, dachte Marge, extrem müde. Paul hob den Kopf und klappte den Mund auf, aber Collingswood schnippte vor dem Spiegel mit den Fingern, und kein Ton kam über seine Lippen. Marge wünschte, er wäre davongekommen.
»Wo ist Wati?«, brüllte Dane. »Was ist aus ihm geworden?«
»Marge war ...«, sagte Billy. »Du hast doch gehört, was Wati gesagt hat, kurz bevor ...« Seine Worte verklangen, und er schüttelte den Kopf und schlug die Hand vor die Augen. Tot oder zumindest in Gefangenschaft.
»Wati!« Dane brüllte und wütete. »Schon wieder. Wieder einer. Krake!«
Sie hatten die Polizeiabsperrung beinahe verächtlich passiert, ohne auch nur im Schritt innezuhalten, und waren wieder in der
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