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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Sie setzte sich hastig genug auf, um ihren Kaffee zu verschütten. »Scheiße. Ehrlich, Meister?«
    »Harris meint, die Leiche wurde, ihrer Schätzung nach, vor gut hundert Jahren in die Flasche gesteckt. So lange verstaubt sie schon da unten.«
    »Heilige Scheiße. Was sich nicht so alles einfindet, nicht wahr?«
    »Nun warten Sie mal. Das ist nicht alles. Da gibt es noch ein ›und‹. Oder vielleicht eher ein ›aber‹. Gibt es ein Wort, das für beides gilt?«
    »Kommen Sie zur Sache, Meister.«
    »Also, die Leiche hat in dieser Form ein Jahrhundert überstanden. Aber-Bindestrich-und. Haben Sie je von GG Allin gehört?«
    »Wer zum Henker ist das?«
    »Mich hätten Sie das auch nicht fragen dürfen. Aber zum Glück hat Dr. Harris ein geschicktes Händchen mit Google. Er war Sänger, heißt es hier. Es heißt allerdings auch, das sei eine großzügige Auslegung des Wortes. Entzückend. ›Scum Rocker‹ steht hier. Ich habe es da mehr mit Queen. ›Bloß nicht in die erste Reihe stellen‹, schreibt Harris. Egal, er ist vor ungefähr zehn Jahren gestorben.«
    »Und?«
    »Und wir sollten vielleicht dem Umstand Beachtung schenken, dass eine der Tätowierungen unseres Verstorbenen aus den Worten ›GG Allin and the Murder Junkies‹ besteht.«
    »Oh, Mist.«
    »Allerdings. Er wurde offenbar etliche Jahrzehnte, bevor er die Tätowierung erhielt, eingemacht.« Sie starrten einander an.
    »Sie wollen, dass ich herausfinde, wer er war, richtig?«
    »Nicht nötig«, sagte er. »Wir haben einen Treffer. Er ist in der Datenbank.«
    »Was?«
    »Fingerabdrücke, DNA, das ganze Zeug. Also eine DNA, die einerseits ein Jahrhundert alt ist, andererseits sein Geburtsjahr auf 1969 festlegt. Name Al Adler alias diverser Unsinn. Die haben wirklich ein Faible für Spitznamen.«
    »Warum wurde er verurteilt?«
    »Einbruch. Aber das beruht auf einem Handel. Er hat eine Weile regulär gesessen. Die ursprüngliche Anklage steht in einem anderen Verzeichnis.« Dem, in dem die Gesetze gegen illegale Hexerei aufgeführt waren. Adler hatte für seine Tat auf esoterische Mittel zurückgegriffen.
    »Komplizen?«
    »Angefangen hat er als Freischaffender. Eine Weile war er so was wie ein freier Mitarbeiter bei einem Hexenzirkel in Deptford. Die letzten vier Jahre seines Arbeitslebens hat er Vollzeit mit Grisamentum zugebracht, wie es aussieht. Verschwunden, als Griz gestorben ist. Grisadrecksmentum, was?«
    »War vor meiner Zeit«, sagte Collingswood. »Bin dem Vogel nie begegnet.«
    »Erinnern Sie mich bloß nicht daran«, sagte Baron. »Es sollte verboten sein, dass jemand so viel jünger ist als ich. Er war schon in Ordnung, der Grisamentum. Ich meine, man weiß nie, wem man trauen kann, aber er hat uns ein paarmal ausgeholfen.«
    »Dachte ich mir. Der Typ wird hier und da erwähnt. Was genau hat er getan?«
    »Er war nicht wählerisch«, sagte Baron. »Der hatte seine Finger in allen möglichen Sachen. Eine Art Spieler. Seit er tot ist, ist einiges danebengegangen. Er war so was wie ein Gegengewicht.«
    »Haben Sie mir nicht erzählt, dass er nicht ...«
    »Ja, nein. Das war weder aufsehenerregend noch dramatisch. Er ist krank geworden. Jeder wusste es. Das war ein schlecht gehütetes Geheimnis. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Seine Beerdigung war verdammt interessant.«
    »Sie waren dort?«
    »Aber ja.«
    Die Metropolitan Police konnte so einen wichtigen Sterbefall nicht nicht beachten. Einen so groß angekündigten Abschied. Die Einzelheiten über Grisamentums letzten Gang waren derart ostentativ in der Stadt verbreitet worden, dass sie eindeutig als Aufforderung verstanden werden mussten.
    »Welchen Trick haben Sie angewandt?«, fragte Collingswood. Baron lächelte.
    »Nicht allzu kompetente Überwachung. Oh, seht uns nur an, jetzt habt ihr uns alle gesehen. Hach, was sind wir doch ungeschickt.« Er wackelte mit dem Kopf.
    Collingswood war lange genug dabei, war feinsinnig genug in ihrer Polizeilichkeit, stramm genug dem FSRC und den Londoner Protokollen verpflichtet, um zu verstehen, wovon er sprach. Die Polizei konnte nicht offiziell der Beerdigung einer Person von so zweifelhafter Gesetzestreue beiwohnen, aber sie konnte diese öffentliche Veranstaltung auch nicht einfach ignorieren und sich respektlos oder undankbar zeigen. Also wurde ein Mummenschanz aufgeführt, eine Darbietung, um sich sehen zu lassen, indem man das Ereignis mit vermeintlicher Inkompetenz ausspionierte, sodass man gesehen werden musste und als anwesend

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