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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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arbeitete lieber mit einem Laptop in einem tiefen Sessel.
    »Was ist denn mit dem griesgrämigen Saftarsch los?«, fragte sie.
    »Womit heute wer gemeint ist?«, hakte Baron nach.
    »Vardy. Seit diese Kalmargeschichte losgegangen ist, ist er noch stiller und griesgrämiger als sonst.«
    »Finden Sie? Mir kommt das ganz standardgemäß vor.«
    »Nee.« Collingswood beugte sich zu ihrem Bildschirm. »Was macht er eigentlich?«
    »Rückt der Kalmarsekte auf den Leib.«
    »Aha. Also hält er ein Schläfchen.«
    Collingswood kannte Vardys Methoden. Er fuhr kreuz und quer durch London und befragte Informanten. Er war viel online unterwegs. Manchmal betrieb er eine fieberhafte und konzentrierte Spurensuche von Buch zu Buch, las einen Absatz in dem einen, ließ es fallen und schnappte sich das nächste von der lawinengefährdeten Halde auf seinem Schreibtisch, oder er sprang auf und pickte eines aus den Regalen, die ihm gegenüberstanden, las bereits auf dem Weg zurück zu seinem Stuhl, sodass er, wenn er wieder saß, meist schon fertig war. Und dann war da noch das Channeling. Dann saß er einfach da, die Finger bogenförmig vor dem Mund zusammengeführt, die Augen geschlossen. Manchmal wiegte er sich. Sodann versank er in seiner Träumerei und verblieb dort für Minuten bis hin zu einer ganzen Stunde.
    »Was meinen Sie, was verbirgt sich hinter all diesen Schuppentierknochen?«, fragte ihn Baron vielleicht in Hinblick auf irgendeine bekannt gewordene Spinnersekte. Oder: »Haben Sie eine Vorstellung, was diese Priesterin mit ›Phasmiden-Blut‹? gemeint hat« oder: »Wo, meinen Sie, werden sie diesen Jungen opfern?«
    »Ich bin nicht sicher«, lautete Vardys Antwort vielleicht. »Ein paar Ideen habe ich. Ich muss nachdenken.« Und seine Kollegen würden leiser sein, und Collingswood, so sie im selben Raum war, würde eine Geste machen, die besagte, was für ein Saftarsch, oder so tun, als wollte sie ihm ihr Getränk über den Kopf schütten oder irgendetwas in der Art.
    So pflegte er lange Zeit zu verharren, ehe er irgendwann die Augen aufriss und etwas sagte wie: »Es hat nichts mit der Panzerung zu tun. Diese Schuppentiere sind bipedisch. Darum geht es. Darum haben sie diesen Tänzer entführt ...« Oder: »Greenford. Natürlich. Der Umkleideraum von irgendeinem nicht mehr genutzten Schwimmbad. Schnell, wir haben nicht mehr viel Zeit.«
    »Er kommt nicht weiter mit dem Krakenkram«, sagte Baron. »Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, hatte er sich die Notizen über Archies Präparation und einen Haufen Artikel über den Metabolismus von Kalmaren vorgenommen.«
    Collingswood zog die Brauen hoch. »Ich kann zu dieser Putney-Sache nichts erschnüffeln«, sagte sie. »Es ist zu viel los. Dieser verdammte Kalmar macht alle nervös. Sie würden nicht glauben, wie viele Spinner sich inzwischen melden.«
    »Wie kommen Sie mit all dem zurecht?«
    Sie gab einen rüpelhaften Laut von sich. »Gehen Sie zum Teufel, Meister«, sagte sie, aber sie erzählte ihm nicht von ihrem neuen, wiederkehrenden Albtraum, in dem sie aus einem Wagen geworfen wurde und auf eine Ziegelmauer zusauste.
    »Diese Geschichte in Putney ist bei uns wirklich richtig?«
    »Darauf würde ich wetten«, sagte Collingswood. »Bei den blauen Flecken.« Eine Leiche war von den Wellen gegen die steinerne Uferbefestigung gespült worden. Der Tote war ein Journalist mit einem besonderen Interesse an den Belangen der Arbeiterschaft, der anscheinend zerquetscht worden war. Der Mord war an das FSRC übergeben worden, nachdem ein Pathologe bemerkt hatte, dass die vier mächtigen Prügelmale auf der Brust des Mannes ein wenig so aussahen, als wären sie alle bei einem einzigen Schlag mit einer unfassbar großen Faust entstanden.
    Baron starrte auf den Bildschirm. »E-Mail von Harris.«
    »Und, habe ich Recht?«, fragte Collingswood. Sie hatte die Frage aufgeworfen, ob der Leichnam, den sie im Keller gefunden hatten - »Vergessen wir mal für eine Minute diese Sache mit er-passt-nicht-in-das-Glas, Boss« - vielleicht gar nichts mit dem Kalmarfall zu tun hatte. Ob es sich womöglich schlicht um einen viele Jahre alten obskuren Unterweltmord handelte, über den Billy in diesem Augenblick erhöhter Empfindsamkeit einfach hatte stolpern müssen. »Er hat was«, hatte sie gesagt. »Ein bisschen Grips. Und vielleicht riecht er was, wenn er ausreichend gestresst ist.«
    »Ha!« Baron lehnte sich zurück. »Also gut, das wird Ihnen gefallen, Kath. Sie haben Recht.«
    »Was?«

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