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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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verebbte. Etwas anderes ersetzte sie. Im Gegensatz zu all den Ahnungen, die so bestimmend für ihr Dasein gewesen waren, war das, was sich düster und mit zunehmender Geschwindigkeit näherte, etwas Einfaches und absolut Endgültiges.
    Was war das für eine Übelkeit, die an die Stelle der anderen Übelkeit getreten war, so fragten sich die Dünnhäutigen. Was war das für ein neues Unbehagen, was für ein neues, kaltes Unwohlsein? Aber ja, so erkannten sie langsam. Das ist es. Es ist Furcht.
    Auch die Tiere fürchteten sich. Ratten suchten Zuflucht am Boden, Möwen kehrten zum Meer zurück. Die Londoner Füchse in ihrer Angst erwischte eine hormonelle Flut, die sie zum Ranzen trieb, während das Adrenalin in ihrem Blut sie zu geeigneter Beute für die geheimen städtischen Jagden machte. Die meisten Londoner bekamen von all dem kaum mehr mit als eine Epidemie von Vogelkot, ein Guano des Schreckens, hervorgebracht, als die Tauben anfingen, sich einzukacken. Läden wurden eingedeckt. In Chelsea sah Anders Hooper zum Fenster von Nippon This! hinaus und schüttelte angewidert den Kopf. Mit einem leisen Ding öffnete sich die Ladentür. Goss und Subby spazierten herein.
    »Bertrand!«, sagte Goss und winkte ihm freundlich zu. Subby starrte nur vor sich hin. »Sie haben mich so begeistert. Ich habe noch eine Frage an Sie!«
    Anders wich zurück und tastete nach seinem Mobiltelefon. »Sie rufen uns an, wenn Sie noch einmal von ihnen hören, ja?«, hatte Baron gesagt und ihm seine Karte gegeben. Anders versuchte sich zu erinnern, wo sie verblieben war, da stieß er schon an die Wand. Goss beugte sich über den Tresen.
    »Wie auch immer«, verkündete er. »Hier sind wir, Subby und ich, und, oh, wissen Sie, wir alle. Sie verstehen doch? Aber natürlich verstehen Sie, gerade Sie unter all den verdammten Mathematikern, was? Die Frage lautet also, was geht ab?« Er lächelte und atmete Zigarettenrauch aus, den er nie eingeatmet hatte.
    »Ich verstehe nicht«, sagte Anders. In der Tasche tastete er nach der 9.
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Goss. Subby spazierte unter der Klappe des Tresens hindurch und stand plötzlich neben Anders. Berührte ihn am Arm. Zupfte an seinem Ärmel. Anders schaffte es nicht zu wählen. Versuchte es noch einmal.
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung.« Goss sprach mit auffallender Betonung. »Ich bin ganz und gar Ihrer Meinung. Das ist alles ein bisschen viel da im Jockeyklub, darum mussten wir diesen dopenden kleinen Sattlerwichser zurechtweisen. Stellen Sie sich meine Überraschung vor, als ich meinen Namen hörte. Hä? War ja alles nur gut gemeint.« Er tippte sich an die Nase und zwinkerte. »Diese Bullen, was? Mein Name! Mein Name, ist das zu glauben?«
    Anders hatte das Gefühl, kaltes Wasser würde sich in seinem Bauch sammeln. »Augenblick, bitte.«
    »Haben Sie womöglich meinen Maulknebel niedergequasselt? Sollte ich da richtig liegen? Jetzt fragen alle möglichen Dingsbumse nach mir!« Goss lachte. »Das ist irgendwie wie Pferdescheiße. Sag meinen Namen, sag meinen Namen! Du hast meinen Namen genannt.«
    »Ich war's nicht. Ich kannte Ihren Namen ja nicht einmal ...«
    Anders senkte den Daumen, aber da war ein Rauschen in der Luft, ein schnelles, abgeschnittenes Paff. Anders nahm keine Bewegung wahr. Er wusste nur, dass Goss auf der einen Seite des Tresens stand. Anders drückte auf die Taste des Telefons, da war ein Geräusch, die Klappe segelte immer noch gemächlich durch die Luft und zog eine Spur von Splittern hinter sich her, und Goss stand auf der anderen Seite des Tresens, vor ihm, ganz nahe, hielt sein Handgelenk und drückte so fest, dass Anders keuchend von seinem Telefon abließ.
    Die Klappe prallte zu Boden. Goss machte eine Plappergeste mit der freien Hand. »Du redseliger kleiner Kerl«, sagte er. »Du und Subby, ihr kommt kaum zu Wort.«
    Anders konnte Goss' Haar riechen. Konnte die Adern unter seiner Gesichtshaut sehen. Goss zog Anders' Gesicht nahe an sich heran. Sein Atem roch nach gar nichts. Er war wie Luft, die von einem Fächer herbeigeweht wurde. Bis plötzlich ein neuerlicher Atemzug mit Rauch folgte. Anders fing an zu wimmern.
    »Ich habe die Bücher gelesen«, sagte Goss. Neigte den Kopf in die Richtung der Origami-Regale. »Ich habe sie Subby vorgelesen. Er war begeistert. Be. Scheiß. Geistert. Nix mit Die kleine Raupe Nimmersatt, hierbei hieß es nur ›Oh, zeigst du mir jetzt, wie man einen Karpfen macht? Und wie mache ich ein Pferdchen?‹ Ich bin inzwischen

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