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Der Krake

Der Krake

Titel: Der Krake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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wirkungsloser Hokuspokus. Sie und ihre Hausgemeinschaft dienstbarer Statuen-Geister, die sie geschaffen hatten, um sie mitzunehmen ins Jenseits, wurden von den verächtlichen Repräsentanten der neuen Uschebti-Nation begrüßt. Ihre eigenen Figuren wurden kurzerhand für das Gemeinwesen des Schattenlands rekrutiert. Den menschlichen Toten aber wurde gesagt: Wenn ihr arbeitet, dürft ihr essen.
    Die Jahrhunderte und Sozialsysteme kommen und gehen, und die Immigration in dieses Jenseits verliert an Tempo, wird weniger und weniger, bis die Uschebti und jene menschlichen Seelen, die ihren Frieden mit der derben Demokratie der Uschebti-Bauern des Totenreiches geschlossen hatten, allmählich klaglos verblassen, vergehen, weiterziehen, hinübergehen, nicht mehr da sind. Es gibt darob keine große Trauer. Es ist Geschichte, weiter nichts.
    Wati will von all dem nichts wissen.
    Ich bin hier. Ich will es nicht tun.
    Auch er zog endlich weiter, doch er zog nicht auf eine andere Seite, nicht in ein Dunkel oder ein Licht, sondern über Grenzen zwischen Glaubenswelten.
    Ein monumentaler Marsch, diese seltsame Passage durch fremde Jenseitsvorstellungen. Stets auf dem Weg zur Quelle des Flusses, zum Anfang der Straße. Aufwärts schwamm er durch Murimuria, aufwärts passierte er die Höhlen von Naraka und die Schatten von Yomi, und er durchquerte die Flüsse Tuoni und Styx zu der Fährleute Fassungslosigkeit von ihren entlegensten Küsten aus, vorbei an einem kaleidoskopischen Geriesel von Land, vorbei an Psychopompoi aller möglichen Traditionen, die mit den frischen Toten, die sie eskortierten, innehielten und Wati zuflüsterten: Du gehst in die falsche Richtung.
    Nordische in Bärenfellen, Frauen in Saris und Kimonos, Tote im gelackten Beerdigungsstaat, Söldner in Bronzerüstungen - die Äxte, die ihr Leben gefordert hatten, baumelten noch blutig und höflich ignoriert in ihrem Scheinfleisch wie riesige Stielwarzen - sie alle bestaunten den militanten, inhumanen Schatten von einer Statue bei seinem Aufstieg, bestaunten diesen eigenwilligen Wanderer über den rein gar nichts geschrieben stand in all den Schriften voller pantheonspezifischem Geschwätz über das, was die Toten im Jenseits erwartete. Alle starrten sie den Eindringling direkt an, diesen deplatzierten Klassenkämpfer in ihrem Mythos, oder schauten mit gesenktem Kopf zu ihm auf und stellten sich vor, höflich oder nicht, ganz nach ihren kulturellen Normen, von denen sie noch nicht durchschaut hatten, dass sie für die Lebenden galten und nicht für die Toten.
    Wati, der Rebell, antwortete nicht. Er stieg nur weiter auf aus tiefer Unterwelt. Der Weg ist lang, gleich welchem Tod man folgt. Dann und wann schaute Wati, der Retro-Eschatonaut, die, die sich ihm näherten, vielleicht an, und wenn er einen Namen hörte oder ihm das Aussehen des Toten bekannt vorkam, konnte es passieren, dass er ihn ansprach, oh, ich traf deinen Vater (oder sonstwen) ein paar Meilen weiter hinten, bis Generationen von Toten Geschichten über den Falschwanderer erzählten, der aus irgendeinem der zahlreichen Himmel herbeispaziert war. Sie diskutierten darüber, welche Art Seher oder was immer er sein mochte, und erklärten es schließlich zu einem Glücksfall, dass sie ihm bei ihrer letzten Reise begegnet waren. Wati wurde zur Fabel, die die lange Zeit Verstorbenen den Neutoten erzählten. Bis, ja bis er hinaustrat, durch die Tür von Annwn oder durch das Himmelstor oder den Eingang von Mictlan (er achtete nicht darauf) und hier anlangte. Hier, wo Luft ist, wo die Lebenden leben.
    An einem Ort, an dem es mehr zu tun gab als Reisen, schaute Wati sich um und sah Verhältnisse, an die er sich erinnerte.
    Getrieben von einer physischen Nostalgie gegenüber seiner ersten Gestalt drang er in die Leiber von Statuen ein. Er sah, wie Befehle erteilt und empfangen wurden, und das schürte das Feuer in seinem Inneren. Es gab zu viel zu tun, zu viel zu korrigieren. Wati erwählte die, die waren, wie er einmal gewesen war. Jene, die konstruiert waren, verzaubert, durch Magie verbessert, um das zu tun, was Menschen ihnen sagten. Er wurde ihr Organisator.
    Er fing mit den unerhörtesten Fällen an: magisch geschaffene Sklaven; Besen, die gezwungen wurden, Wassereimer zu schleppen; Tonmänner, geschaffen, um im Kampf zu sterben; kleine Figuren aus Blut, denen nicht gegeben war, über ihre Taten selbst zu entscheiden. Wati organisierte Rebellionen. Er überzeugte gekunstete Assistenten und Diener, sich zu

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