Der Krake

gerichtet worden waren, einen Glauben, der stark genug war, um ihr Leben nach dem Tode zu etwas wie einer kalten, instabilen Nachahmung ihrer prächtigen Eschatologie zu formen. Ein lebendiges Gemälde, nachgeahmt in Stein, Elektrizität und Hirsebrei. (Welche Funktion dieses Jenseitsstoffes verfestigte sich und ersann sich selbst als Anubis? Welche als Ammit, die Herzensfresserin?)
    Jahrhundertelang taten die Uschebtis, was ihnen aufgetragen war. Hier bin ich, sprachen sie im finsteren Nichtschall und pflegten Nichtfeldfrüchte, ernteten sie und kanalisierten die Nichtwasser des Todes, trugen die Erinnerung an Sand. Geschaffen, um zu dienen, geistlose Fronobjekte, die ihren toten Herren gehorchten.
    Bis endlich ein Uschebti am Flussuferanalogon innehielt, die gebündelte Schattenernte, die es eingebracht hatte, fallen ließ und zu den Werkzeugen griff, die in seiner Tonhaut mitzuführen es geschaffen worden war, um die heiligen Worte zu tilgen, die es hatte tragen müssen.
    Hier bin ich, brüllte es mit dem, was als seine Stimme gelten konnte. Ich will es nicht tun.
    »Es nannte sich selbst Wati«, sagte Dane. »›Der Rebell.‹ Er wurde in Set Maat geschaffen.« Er sprach den Namen des fremden Ortes mit großer Sorgfalt. »Heute heißt der Ort Deir el Medina. Im neunundzwanzigsten Jahr der Herrschaft Ramses des Dritten.«
    Sie saßen in einem neuen Wagen. All die frischen Anhängsel, die sie mit jedem neuen Diebstahl herumfuhren, hatten etwas Schwindelerregendes: die verschiedenen Spielzeuge, Bücher, Papiere, Abfälle, die vergessen auf jeder Rückbank lagen.
    »Die Erbauer der königlichen Grabmale wurden tagelang nicht bezahlt«, sagte Dane. »Sie ließen ihre Werkzeuge fallen. Ungefähr um 1.100 vor Christus. Sie haben als Erste gestreikt. Ich glaube, es war einer dieser Arbeiter, der ihn gemacht hat. Den Uschebti.«
    Geschnitzt von einem Rebellen. War dessen Ressentiment durch seine Finger und den Meißel geflossen und hatte auch das Wesen der Figur geformt? Geschaffen von den Emotionen des Schöpfers?
    »Nee«, sagte Dane. »Ich glaube, die haben einander beobachtet. Wati oder sein Schöpfer, einer von beiden hat sich den anderen zum Vorbild genommen.«
    Der selbst ernannte Wati führte den ersten Streik, der je im Jenseits stattgefunden hatte. Es eskalierte. Diese erste Revolte der Uschebti, dieser Aufstand der Gemachten.
    Aufruhr in Neter-Khertet. Mörderische Kämpfe unter den Konstruierten, den Angehörigen der gepeinigten Dienerschaft, die aufgespalten war in Rebellen, Hasenfüße und die nach wie vor gehorsamen Sklavenarmeen derer, die loyal geblieben waren. Alle bestürzt, keiner an die Emotionen gewöhnt, die sie durch irgendeine Fehlentwicklung angesammelt hatten, und alle überaus verwirrt angesichts der Befähigung, selbst zu entscheiden, welcher Seite ihre Loyalität gelten sollte. Die Toten sahen fassungslos zu, zusammengekauert im aschgrauen Schilf des Totenflusses. Aufpassergötter kamen aus ihren eigenen Stunden gelaufen, um Ordnung einzufordern, entsetzt über das Chaos in diesem schauerlich kalten Ackerland.
    Es war ein brutaler Krieg von menschlichen Geistern und Scheinseelen, gespeist aus Zorn. Uschebti töteten Uschebti, töteten die bereits Verstorbenen in ketzerischen, metamörderischen Akten und schickten die erschütterten Seelen der Toten in irgendein anderes Jenseits, von dem niemand etwas wusste.
    Die Felder waren voll von den Leichen der Seelen. Uschebti wurden zu Hunderten von den Göttern niedergemetzelt, doch sie töteten auch Götter. Die groben Züge von Kameraden, die präzise auszuarbeiten niemand sich die Mühe gemacht hatte, bildeten aus den undeutlichen Anmutungen, die ihnen gegeben waren, neue Ausdrücke, und sie ergriffen die Äxte und Pflüge und die verfluchten Körbe, die zu tragen sie geschaffen worden waren, und trugen sie in Schwärmen über Leiber, groß wie Berge, deren heulende Schakalköpfe sie fressen wollten und doch von uns überrannt und mit unseren lächerlichen Waffen geschlagen und getötet wurden.
    Wati und seine Kameraden waren siegreich. Und man kann Gift darauf nehmen, dass das einige Veränderungen herbeigeführt hat.
    Es muss ein Schock für die nachfolgenden Generationen hochwohlgeborener ägyptischer Toter gewesen sein. In einer seltsamen, vernebelten und skandalös von der offiziellen Lehre abweichenden Unterwelt zu erwachen. Die Rituale postumer Hierarchie, denen ihre Leichname fromm unterzogen worden waren, erwiesen sich nun als veralteter,